Geschichtsstunde

Es ist der 20.9.2741. Erik, Linus und Julia sind auf dem Weg in die Vorschule.
Mit der Tram geht es von dem Wolkenkratzer, in dem sie wohnen, zu der Pyramide, in der sich die Lehreinrichtungen befinden.
Der heutige Schultag beginnt mit einer Geschichtsstunde.
Frau Demirkan wartet bereits auf ihre Klasse.
„Beeilung Kinder, damit wir anfangen können!“
Die Kinder gehen schnell zu ihren Plätzen und Frau Demirkan beginnt mit dem Unterricht.
„Guten Morgen Kinder. Letztes Mal haben wir die Anfänge der irdischen Raumfahrt durchgenommen.“
„Ja, als Linus meinte 'Das Raumschiff brennt!'“, ruft Gregori dazwischen.
„Was kann ich dafür, dass die alten Dinger 'Bruz-bruz-bruz' gemacht haben?“, ärgert sich Linus.
„Nicht ärgern.“, empfiehlt Erik und sieht, dass selbst Frau Demirkan sich ein Lächeln nicht verkneifen kann.



„Wie weit sind wir das letzte Mal gekommen?“, möchte Frau Demirkan wissen.
„Bis zu dem Flug der NOVA, dem ersten Schiff mit einem Lichtantrieb.“, antwortet Rina.
„Sehr gut Rina. Die NOVA und ihre Schwesterschiffe hatten auch die ersten Kontakte mit außerirdischen Völkern, die ihrerseits allerdings keine Raumfahrt betrieben. Nun, welche wichtige Mission folgte danach?“, fragt Frau Demirkan.
Mit einem mal wird Erik hellwach.
„Die Mission der APOLLO!“
„Gut Erik. Und warum war diese Mission so wichtig?“
„Weil die APOLLO einen Planeten erforschen sollte, dessen Pflanzenwelt die Grundlage für unsere biomechanische Technologie war.“, antwortet Erik.
„Ja, das ist richtig. Ohne die Mission der APOLLO würde unser Leben heute anders aussehen. Und das ging so ...“



2223 – Aufbruch ins Unbekannte



Ein leichter Dunst lag über dem Startplatz von Cape Canaveral am Morgen des 23.Juni 2223, als Jennifer Tanner vor ihrem Schiff, der APOLLO, stand und die letzte Einsatzbesprechung vor ihrem geistigen Auge noch einmal Revue passieren ließ.
Außer ihr und der Mannschaft waren der Flugdirektor da und es gab sogar eine Konferenzschaltung mit der Präsidentin der „Vereinten Erde-Organisation“ (UEO = United Earth Organization).

Flugdirektor Philips ging noch einmal kurz auf die Ziele der Mission ein.
Vor vier Jahren hatte das Forschungsschiff ENDEAVOUR einen Exoplaneten entdeckt, der den Stern Lambda Aurigae umkreiste.
Auf dieser Welt schien es eine interessante Pflanzenwelt zu geben, die der Menschheit helfen könnte, einiges von dem, was durch die Umweltzerstörung im 20. und 21.Jahrhundert verloren gegangen war, zu ersetzen und möglicherweise sogar einen Nachfolger für die biokybernetische Technologie zu entwickeln.
Die Aufgabe der APOLLO war es also nun, nach Lambda Aurigae zu fliegen und eine Forschungsstation aufzubauen.
Dies war der angenehme Teil. Leider gab es auch neue Entwicklungen, die nicht so angenehm waren.
Steve Locust, der letzte große Tycoon und ein Halsabschneider, war anscheinend mit einem seiner Schiffe ebenfalls auf dem Weg nach Lambda Aurigae.
Er hatte allerdings nicht die Absicht, den Planeten zu erforschen, sondern wollte ihn ausbeuten, was eine Katastrophe wäre.
An dieser Stelle wies die Präsidentin dann darauf hin, dass er vermutlich wieder einmal seine Privatarmee dabei hätte, die in der Vergangenheit schon oft für Ärger gesorgt hatte.
Alle Armeen waren 2200 endgültig aufgelöst worden, doch der Locust-Konzern hatte immer noch eine illegale Söldner-Truppe.
Auf Brekka hatten Mitglieder dieser Truppe ein Kohleflöz entzündet, worauf der halbe Dschungel abbrannte.
Und die ALEXANDER-VON-HUMBOLD war gerade damit beschäftigt, den heiligen Fluss der Garmen zu entseuchen, nachdem ein Erkundungsteam von Locust eine ordentliche Ladung von irgendeinem chemischen Stoff hinein gekippt hatte.
Glücklicherweise gab es in beiden Fällen keine Opfer unter den Eingeborenen aber eine Menge Ärger.
Sowohl die Präsidentin und ihr Kabinett als auch die anderen Konzerne wollten Locust endlich am Schlafittchen packen.
Um die Expedition vor einem eventuellen Angriff von Locust zu schützen, hatte man entschieden, ein Spezialeinsatzkommando der vor wenigen Jahren gegründeten Weltraum-Polizei mitzuschicken.



„Ziemlich gruselig unser neuer Auftrag?“
Diese Frage kam von dem jungen Biologen Charles Bachmann, der Jennifer wie ein kleiner Junge vorkam.
„Nur ein bisschen.“, antwortete Jennifer.
„Sagen sie mal, Charles, ist ihr Vater nicht der berühmte Archäologe Andreas Bachmann?“
„Ja, das stimmt. Meine Eltern und Geschwister sind alle in der Altertumsforschung tätig. Ich muss wohl das schwarze Schaf in der Familie sein.“
„Nein, das bist du nicht.“, sagte Emily Porter, die plötzlich hinter ihnen stand.
Emily war der jüngste und – ebenso wie das Einsatzkommando – ein weiterer unerwarteter Neuzugang.
Sie war eine Telepathin, also ein Mensch mit besonderen geistigen Fähigkeiten, die mittels der Kraft ihrer Gedanken mit anderen Menschen über große Strecken ohne technische Hilfsmittel kommunizieren oder sogar deren Gedanken lesen konnte.
„Du hast dich nur für den Weg entschieden, der deinem Wesen entspricht. Nicht für vergangene tote Dinge, sondern für das Leben.“, fügte Emily hinzu, wobei sie Charles anlächelte.
„Ich möchte die holde Dreisamkeit nur ungern stören, aber ich glaube, wir sollten allmählich aufbrechen.“, sagte Samuel Forbes.
Der ältere Afroamerikaner war der Chefwissenschaftler der APOLLO und wurde von allen liebevoll 'Sam' genannt.
„Wo du Recht hast, hast du Recht.“, meinte Jennifer, „Also Leute, sattelt die Hühner, wir reiten nach Texas!“



Gemeinsam gingen sie zur APOLLO, einem vollkommen neuen Raumschiff, das sich von den älteren Typen SIRIUS und PALADIN erheblich unterschied.
Die alten Raumschiffe waren noch wie Raketen gebaut, lang und schlank.
Die APOLLO hingegen hatte als Mannschafts- und Kommando-Modul eine Kugel mit einem Durchmesser von 30 Metern. Darunter befand sich die längliche kegelförmige Maschinensektion mit dem kleinen Fusionsreaktor. An den Seiten ragten die vier Flügel für den elektromagnetischen Antrieb heraus, die jetzt als Landegestell dienten.
Eine weitere Neuerung war, dass die APOLLO auf Planeten landen konnte.
Bei SIRIUS und PALADIN konnte nur die vordere Kommandosektion, die wie ein langer spitzer Kegel aussah, sich vom Rest des Schiffes trennen und landen.
An der Seite der Maschinensektion der APOLLO stand eine Tür offen und ein Kran ragte heraus.
Jennifer und ihre Kameraden bestiegen einen Korb, der an dem Kran hing und ließen sich hoch hieven.
Im Inneren fuhren sie mit einem Lift zu dem Kommandoraum, von dem aus das Schiff geführt wurde.
Sam, Charles und Emily stiegen hier aus, während Jennifer noch ein Stück weiter zum Cockpit fuhr.



„Hallo Jen, was hat dich aufgehalten?“, begrüßte die Pilotin Zoey ihre Freundin und Kollegin.
„Ach, ich kann überhaupt nicht mehr klar denken, seit ich die guten Neuigkeiten erfahren habe.“, sagte Jennifer, als sie auf ihren Sitz kletterte, der – wie in den alten Space Shuttles 200 Jahre zuvor – auf dem Boden lag.
„Vielleicht kann dich das hier ein wenig aufmuntern. Meine Nichte Nathalie hat das gemalt.“
Zoey gab Jennifer eine Zeichnung, auf der man ein Kind sehen konnte, das mit einem Schiff – ähnlich der APOLLO – zwischen den Sternen flog.
Jennifer runzelte die Stirn und fragte „Was soll das darstellen?“.
„Das soll Nathalie mit ihrem Privatraumschiff sein.“, erklärte Zoey.
„Ein kleines Kind fliegt mit einem ...“
„Sie sagte: Andere Leute haben einen Privatjet und ich ein Privatraumschiff.“
„... mit einem Privatraumschiff durch die Galaxis? Gütiger Himmel, sowas gibt’s ja gar nicht!“
„Sag ihr das bloß nicht, wenn du sie triffst.“, scherzte Zoey.



„Okay, dann lass uns diesen Vogel mal starten. Ich bin gespannt auf den neuen Antrieb.“, sagte Jennifer.
„Du wirst überrascht sein. Schnall dich gut an.“
Zoey schaltete den elektromagnetischen Antrieb ein, worauf die APOLLO langsam vom Boden abhob und dann immer schneller in den Himmel aufstieg.
„Ich glaube, ich seh da vorne den Transporter!“, rief Jennifer, als die APOLLO gerade die Erdumlaufbahn erreichte.
Langsam dockte Zoey die APOLLO an den großen kegelförmigen Transporter an, in dem bereits die übrigen Wissenschaftler, Biologen und auch das Spezialeinsatzkommando untergebracht waren.



Als Jennifer einen Blick in Richtung Erde warf, konnte sie das Forschungsschiff ENTERPRISE sehen, das sie ein Stück des Weges begleitete.
Auf der Erde wartete in der Zwischenzeit eine Laserstation darauf, die APOLLO auf ihre Flugbahn nach Lambda Aurigae einzuschiessen.
„APOLLO, hier ist Kourou. Wir sehen sie und sind bereit, sie nach Lambda Aurigae zu schicken.“, meldete sich eine Dame mit einem starken französischen Akzent.

„Kourou, hier ist die APOLLO. Wir drehen das Schiff in die richtige Position.“, antwortete Zoey.
Langsam drehte das Gespann aus APOLLO und Transporter, bis die Unterseite des Transporters in Richtung der Laserstation zeigte.
„Countdown. Dix – noef – huit – sept – six – cinq – quatre – trois – deux – un – feu.“, zählte die Dame aus Kourou die letzten Sekunden bis zum Start herunter.
Dann schickte die Station auf der Erde einen Laserstrahl zu dem großen Schirm an der Unterseite des Transporters und beschleunigte die beiden Raumfahrzeuge.
Von Sekunde zu Sekunde erhöhte sich die Geschwindigkeit und sie rasten immer schneller den Sternen entgegen.





Aurigas Geist

Nach beinahe acht Tagen erreichte die APOLLO das System von Lambda Aurigae.
Auf den Überwachungsschirmen in der Kommandozentrale konnten Jennifer und ihre Mannschaft den sonnenähnlichen Stern sehen, der von 3 kleineren Sternen begleitet wurde.
Zoey, die im Cockpit saß, aktivierte den elektrischen Antrieb und bremste das Gespann aus der APOLLO und dem angedockten Transporter so lange ab, bis sie wieder langsamer als das Licht waren.
„Okay Leute, wir sind jetzt wieder auf Unterlicht und nähern uns nun dem dritten Planeten, der Lambda Aurigae A umkreist.“, meldete Zoey.
„Ach ja, außerdem ist mir in der Nähe des zweiten Planeten noch ein unbekanntes Objekt aufgefallen. Könnt ihr das von der Zentrale aus bestätigen?“, fügte sie noch hinzu.
Jennifer und Sam sahen sich für einen Augenblick überrascht an und überprüften dann die Langstreckensensoren.
„Ja Zoey, wir sehen es ebenfalls.“, antwortete Jennifer.
„Oh gut, ich dachte schon, ich wäre beschwipst.“, kam Zoeys Antwort aus den Lautsprechern.
Jennifer musste kurz lächeln und wandte sich dann an Sam.
„Könnte das ein Schiff von Locust sein?“, fragte Jennifer.
„Unwahrscheinlich. Das Objekt ist nicht metallisch und hat auch keinen Antrieb, so wie wir ihn kennen. Hier ist es.“
Sam deutete auf einen kleinen leuchtenden Punkt auf dem Bildschirm, dessen Farbe und Helligkeit sich ständig zu verändern schienen.
„Ich glaube, ich weiß, was das ist.“, sagte plötzlich Emily.
„Dies ist der Grund, weswegen man mich geschickt hat. Das Objekt wurde schon vor 9 Jahren von einer Sonde entdeckt. Die ENDEAVOUR versuchte es nochmals genauer zu untersuchen, hatte aber keinen Erfolg, da das Objekt ihnen auswich.“
„Es ist ihnen ausgewichen? Wie?“, fragte Sam, der vollkommen erstaunt war.
„Es scheint ein interstellares Lebewesen zu sein und wird von den Wissenschaftlern seither 'Aurigas Geist' genannt.“, erklärte Emiliy der verdutzten Mannschaft.
„Deswegen haben wir eine Telepathin bei uns. Man hofft, dass sie mit diesem Wesen Kontakt aufnehmen können.“, vermutete Jennifer.
„Ja, das stimmt.“, bestätigte Emily diese Vermutung.
„Okay, machen wir die Probe aufs Exempel. Was denkt das Wesen grade eben?“, fragte Zoey.
Emily schloss die Augen und konzentrierte sich.
„Ich fühle zur Zeit so etwas wie Neugierde, aber auch Distanziertheit. Möglicherweise will es mit uns zur Zeit keinen direkten Kontakt haben.“, antwortete sie nach einigen Sekunden.
Jennifer blickte misstrauisch auf den leuchtenden Punkt.
„Ich hoffe, wir bekommen nicht noch ein Problem. Mir reicht schon ein skrupelloser Industrieller, der jederzeit um die Ecke kommen kann.“





Aufbau der Basis

Als man den Planeten endlich erreicht hatte, wurde zuerst der Transporter abgekoppelt und landete auf einer Stelle, wo der Dschungel nicht ganz so dicht war.
Die APOLLO folgte wenig später und man begann mit dem Aufbau der Forschungsbasis.
Colonel Luc und sein Einsatzkommando versuchten die Basis, so gut es ging, gegen einen möglichen Angriff abzusichern, was die Wissenschaftler ziemlich nervös machte.



Als nach fünf Tagen die Aufbauarbeiten abgeschlossen waren, machte eine Gruppe unter Jennifers Kommando eine erste Forschungstour.
Schon bald entdeckte man die Bäume, die schon der Mannschaft der ENDEAVOUR aufgefallen waren.
Ihre Stämme sahen aus wie hohe Zylinder, die fast gerade in den Himmel ragten.
Die Oberfläche war von kleinen Löchern übersät, ein Umstand, den man von irdischen Bäumen nicht gewohnt war.
„Charles, was halten sie von diesen Öffnungen in der Baumrinde?“, wollte Jennifer wissen.
„Möglicherweise dienen sie der Belüftung oder dem Wärmeaustausch.“, vermutete Charles.
Dann kletterte die Gruppe an einem der Stämme hoch und durch eines der vielen Löcher ins Innere.
Dort entdeckte man, dass der Stamm – im Gegensatz zu irdischen Bäumen – nicht massiv, sondern aus mehreren ineinander verschachtelten Hüllen bestand.
Charles erklärte der Gruppe, dass auf der Erde die Stämme von Bäumen massiv und die Halme von Pflanzen hohl sind. Diese Bäume hier waren weder das eine noch das andere, sondern etwas vollkommen neues.



Im Kern fanden sie dann die größte Überraschung. Hier war ein weiterer schmälerer Stamm, der aus vielen Ranken zu bestehen schien, die vom Boden bis zur Spitze reichten.
„Was ist das?“, fragte die erstaunte Jennifer.
„Sieht fast wie ein Geflecht von Nervenfasern oder das menschliche Rückenmark aus. So etwas habe ich in der Natur noch nie gesehen. Was meinen sie, Charles?“, sagte Sam.
„Auf den ersten Blick schwer zu sagen, aber ich schätze, dass diese Bäume halb Pflanze und halb Lebewesen sind. Auch die Pflanzen auf der Erde sind quasi nach außen gekehrte Lebewesen, aber dies hier ist äußerst extrem“, meinte Charles.
„Hier ist noch irgendetwas anderes am Werke.“
Alle drehten sich zu Emily um.
„Fühlen sie etwas?“, wollte Jennifer wissen.
„Es ist schwer zu beschreiben. Es kommt mir vor, als ob die Pflanzenwelt miteinander vernetzt wäre. Aber da ist noch etwas anderes. Ich spüre jemand mit einem klaren Verstand, der uns neugierig beobachtet.“, versuchte Emily ihre Eindrücke zu erklären.
„Handelt es sich um Aurigas Geist?“, hakte Jennifer nach.
„Nein.“, antwortete Emily, „Es ist etwas, das sich hier befindet.“
„Da oben!“, rief plötzlich Charles und deutete auf eines der Löcher in der inneren Hülle.
Dort stand ein kleines blaues Wesen mit gelben Augen, das kaum größer als eine menschliche Hand war und aussah wie eine Schnecke mit einem großen kugelförmigen Kopf.
„Erinnert mich irgendwie an die Schlümpfe.“, meinte Charles.
„Zumindest ist es blau.“, scherzte Jennifer.

Das kleine Wesen sah die Gruppe neugierig an.
Jennifer streckte ihre Hände dem Wesen entgegen und sagte „Magst du zu mir kommen? Musst keine Angst haben.“
Das Wesen sah sie noch eine Weile an und kletterte dann herunter.
Charles untersuchte anschließend mit seinem tragbaren Computer für einige Minuten das Innere des Baumes.
„Ist das, das Ungewöhnliche, was die ENDEAVOUR entdeckt hatte? Und was hat es eigentlich mit dieser neuen Biotechnik auf sich?“, wollte Emily von ihm wissen.
„Nun, im Prinzip geht es um Stammzellen. Jedes neue Lebewesen – auch Menschen – bestehen am Beginn aus solchen Zellen, die noch keine spezielle Funktion haben. Erst in der weiteren Entwicklung, während also zum Beispiel ein Kind im Mutterleib heranwächst, übernehmen diese Zellen bestimmte Funktionen wie Nerven, Organe, Haut und Muskeln. Aus einer Stammzelle kann also alles mögliche werden.“, erklärte Charles.
„Und gibt es solche Stammzellen auch hier auf Lambda Aurigae?“, fragte Emily.
„Ja.“ , antwortete dieses mal Jennifer, „Die Mannschaft der ENDEAVOUR fand heraus, dass die Pflanzensamen auf dieser Welt alle identisch sind, aber auf irgendeine Weise dann verschiedene Pflanzen sich aus ihnen entwickeln. Alles vom Grashalm bis zum Baum. Auf der Erde möchte man dieses Prinzip in eine neue biogene Technik übernehmen. Wenn es gelingt, eine solche Stammzelle nachzubauen, dann könnte man dieser Zelle den Befehl geben, ein Stiefel zu werden oder ein Auto oder ein Haus ...“
„Oder ein Raumschiff?“
„Hmmm … ja auch das wäre eines Tages vielleicht möglich.“, antwortete Jennifer etwas widerwillig, „Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich damit fliegen möchte.“
„Warum nicht?“, meinte Sam, „Gerade das ist ja der Sinn der Biotechnik. Neue Wege zu gehen. Theoretisch könnten wir mit der biokybernetischen Technologie und den Rohstoffen im Asteroidengürtel auf ewig so weitermachen wie bisher. Die Frage ist jedoch: Muss man so weitermachen wie bisher, nur weil man es kann oder wäre es besser einen anderen Weg zu gehen? Stell dir eine Welt vor, die keine Rohstoffe mehr braucht, sondern alles mit Hilfe der Biotechnik produziert oder besser gesagt wachsen lässt.“
„Da werden sich die Minenarbeiter auf den Asteroiden aber freuen, wenn man sie nicht mehr braucht.“, wandte Emily ein.
„Minenarbeiter wird man keine mehr brauchen, aber dafür umso mehr Gärtner.“, antwortete Sam.



In den nächsten Tagen tauchten innerhalb der Forschungsbasis noch viele weitere der kleinen blauen Gesellen auf, die den Forschern neugierig über die Schulter sahen.

Nur Colonel Luc und seine Kameraden waren etwas misstrauisch.
„Müssen die ständig hier herumkrabbeln? Das macht mich nervös.“, beklagte sich Luc eines Tages.
„Also solange sie keinen beißen, werde ich für meinen Teil nichts unternehmen.“, zog ihn Jennifer auf.
„Pfeil und Bogen haben sie auch noch keine gebaut.“, fügte Zoey hinzu.
„Luc, beachten sie die Kleinen einfach nicht. Außerdem ist es ihre Welt und nicht die unsrige. Wir sind hier nur zu Gast. Es sind ja keine menschenfressenden Kannibalen.“, versuchte Jennifer ihn zu beruhigen.
Luc sah sie etwas mürrisch an und meinte dann „Sagen sie mir Bescheid, wenn sie Katapulte und Fallgruben bauen.“



Emily und Charles fanden bald heraus, dass die kleinen Wesen sehr intelligent waren und mit ihren hellen Stimmen, die wie Glöckchen klangen, elektronische Geräte einschalten und steuern konnten.

Außerdem stellte man fest, dass sie sich selbst Lauren nannten.



Uneingeladener Besuch

Nach drei Wochen friedlicher Forschungsarbeit kam der Tag, vor dem man sich die ganze Zeit gefürchtet hatte.
Ein Überwachungssatellit, den man in einer Umlaufbahn um den Planeten stationiert hatte, meldete die Ankunft eines älteren Schiffes, das laut seiner Registrierung Locust Industries gehörte.
Die Kommandokapsel dieses Schiffes landete nur ein paar Kilometer von der Forschungsbasis entfernt und schon nach wenigen Stunden kreuzte der überhebliche Großindustrielle Steve Locust mit zwei seiner Leibwächter auf.
„Hallo, wie geht es ihnen denn in ihrem Dschungel-Camp?“, fragte er mit spöttischem Unterton.

„Oh, sehr gut. Danke der Nachfrage wegen. Und was ist mit ihnen? Haben die Zecken sie schon gebissen?“, erwiderte Jennifer trocken.
Locust lachte kurz, bevor er fort fuhr.
„Ach je, das ist typisch für diese Kretze wie sie und ihre Kollegen von der UESA es sind. Okay, ich mache es ihnen leicht. Sie bleiben auf ihrer Seite und tun Bäumchen erforschen und ich bleibe auf meiner Seite, tu ein paar Bäumchen abholzen und als Tropenholz verkaufen. Sie glauben gar nicht, was einige Leute heutzutage dafür bezahlen. Manche würden sogar ihre Seele geben, glaube ich zumindest.“
„Nein, sie werden hier keine Bäume abholzen.“, sagte Jennifer.
„Ach ja, und wer soll mich davon abhalten? Etwa die supertolle Weltregierung und ihre Kasperle? Die Weltregierung hat doch keine Ahnung. Wirtschaft muss frei sein und sich entfalten können!“
„So wie im 21.Jahrhundert? Als man den tropischen Regenwald für angeblichen Biosprit opferte? Als man in der Arktis und im Golf von Mexiko mit Ölbohrungen alles Leben zerstört hat? Jahrhunderte lang glaubten wir, aus allem, was uns über den Weg lief, Geld machen zu müssen. Nie konnten wir etwas unberührt, in seinem natürlichen Zustand lassen. Immer gab es für uns nur die eine Frage: 'Wie kann man das zu Geld machen?' Die Kosten dafür zahlen wir nun alle. Große Gebiete der Erde sind unbewohnbar geworden und das wenige, was uns von der Natur noch geblieben ist, reicht gerade so zum Überleben. Die Flora dieses Planeten ist möglicherweise unsere einzige Chance, die Erde zu retten! Sie werden hier gar nichts abholzen, sie verdammter Mistkerl! Haben sie bei den Garmen und Brekka nicht schon genügend Schaden angerichtet? Müssen sie es denn genauso wie die Industriellen vor 200 Jahren machen, denen der Profit wichtiger als das Leben war?!“
Nach dieser Standpauke war Jennifers Gesicht ganz rot und sie musste erst einmal wieder Luft holen.
Locust sah sie kurze Zeit verdutzt an, bevor er antwortete.
„Oh je, glauben sie immer noch den Blödsinn mit diesem Biotechnik-Dingsbums von dem die Regierung traumduseln tut? Auf den Asteroiden und Monden gibt es Metalle im Überfluss. Die Industrie wird tausende von Jahren benötigen, um sie zu verbrauchen. Wir können weitermachen wie gehabt.“
„Ja, genau das ist es! Weitermachen wie gehabt und nie versuchen, neue Wege zu gehen. Dass es vielleicht besser sein könnte, mit der Natur zu leben anstatt gegen sie, auf diese Idee kommen sie überhaupt nicht!“
„Also gut, ich sehe, dass es keinen Sinn hat mit ihnen zu diskutieren. Entweder sie schlagen ihr Lager woanders auf oder ich muss leider meine Söldner auf sie hetzten. Das liegt ganz bei ihnen.“, erwiderte Locust.
„Ach ja? Wir haben ein Spezialeinsatzkommando dabei. Da werden ihre Söldner sich dieses Mal wohl die Zähne ausbeissen.“
Jennifer hatte erwartet, dass Locust nun überrascht wäre, doch er blickte sie nur gelangweilt an.
„Haben sie auch einen Panzer? Nicht? Das ist aber schade.“
Jennifers Gesicht wurde aschfahl.
„Woher haben sie einen Panzer? Das ist unmöglich. Die letzten Armeen wurden vor 23 Jahren aufgelöst ...“, stammelte sie, während Locust still vor sich hin lächelte.
„Aufgelöst ja, aber noch nicht abgewrackt. Und wenn man genügend Geld springen lässt, bekommt man auf dem Schwarzmarkt die tollsten Sachen. Noch mal lasse ich mich von der Weltraumpolizei nicht verscheuchen. Tja, tut mir echt leid für sie. Ich gebe ihnen 24 Stunden, ihre Zelte abzubrechen und woanders aufzuschlagen. Im Süden gibt es eine Insel, da sind ebenfalls Bäumchen, die sie erforschen können. Ich bin ja kein Unmensch.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und ging mit seinen Leibwächtern wieder zu seinem Schiff zurück.
Luc, der die ganze Zeit in der Nähe von Jennifer gestanden hatte, beugte sich zu ihr vor und sagte: „Ich will sie nicht beunruhigen, aber wir haben keine schweren Waffen dabei, mit denen man einen Panzer bekämpfen könnte.“






Die letzte Konfrontation

Nach einer stundenlangen Beratung hatte die Mannschaft der APOLLO entschieden, alles auf ein Karte zu setzen und die Basis um jeden Preis zu verteidigen.
Die Wissenschaftler versuchten sogar mit den vorhandenen Chemikalien ein paar notdürftige Anti-Panzer-Minen zu basteln.
Francois Berry, der erfahrenste Biochemiker in der Gruppe, meinte sogar „MacGyver wäre stolz auf uns!“.
Ein Exemplar der Lauren, das sich im Lager befand, gab wilde Piepslaute von sich.
„Captain Turner, ich glaube, die Lauren wollen uns auf irgend etwas aufmerksam machen.“, meinte Emily.
Jennifer, die gerade zusammen mit Luc an einer Palisade arbeitete, drehte sich kurz zu ihr um und sagte „Tut mir leid Emmy, aber wir haben jetzt keine Zeit dafür.“.
Charles ging mit dem Übersetzungsgerät zu dem kleinen Wesen und versuchte Emily zu helfen.
„Es wäre besser die beiden würden an den Befestigungen arbeiten.“, meinte Luc ungehalten.
„Lassen sie sie. Wenn sie abgelenkt sind, sind sie uns sowieso keine große Hilfe.“, erwiderte Jennifer und drückte einen weiteren Pfahl in den Boden als sie plötzlich ein Geräusch zu hören glaubte.
„Luc, haben sie ..?“
„Ja, ich höre es auch! Das ist das Geräusch von einem schweren Fahrzeug, das sich seinen Weg durch das Unterholz bahnt.“
Luc schnappte sich schnell seine Waffe und winkte den Mitgliedern seines Einsatzkommandos zu.
„Es ist soweit! Sie kommen!“



Nun konnte man das Krachen von Ästen und kleineren Bäumen hören, die von dem näher kommenden Panzer einfach überrollt wurden.
Schließlich brach sich der Panzer seinen Weg durch das Unterholz und kam direkt auf das Lager zu.
Jennifer und Luc erkannten ihn sofort als einen M-22. Dies war ein Kampfpanzer mit einem langen 120 Millimeter-Geschütz und einem elektrischen Antrieb. Außerdem hatte er keine Besatzung, sondern wurde von einer künstlichen Intelligenz gesteuert. Die Söldner von Locust folgten dem Ungetüm, das wie ein wütender Drache wirkte.
Einige der Wissenschaftler, die an so etwas nicht gewöhnt waren, bekamen ganz weiche Knie und verloren fast den Mut.
Luc und seine Leute schossen auf den Panzer und versuchten ihn abzulenken.
Francois nutzte einen günstigen Augenblick, um eine der Minen vor den Panzer zu werfen, doch deren Explosion fügte ihm lediglich ein paar kleine Kratzer zu.
„Zoey! Bereit für die Barriere!“, schrie Jennifer.
Zoey und Sam sprengten den Fuß eines großen Baumes und brachten ihn so zu Fall, dass er auf den Panzer stürzte und ihn unter sich begrub.
Doch die Freude währte nicht lange. Gerade als man dachte, dass der Panzer zerstört wäre, gab er Vollgas und kämpfte sich unter dem Baum hervor.
„Rückzug!“, schrie Luc, „Wir können diese Stellung nicht halten. Wir müssen in den Dschungel, wo die Bäume dichter sind, so dass uns der Panzer nicht folgen kann.“
Die Mannschaft der APOLLO rannte in den Dschungel, verfolgt von den Söldnern und dem Panzerfahrzeug.
Plötzlich hörte Jennifer hinter sich Schreie des Entsetzens und musste sich unwillkürlich umdrehen.



Die Schreie kamen von den Söldnern, weil etwas, das wie eine riesengroße fleischfressende Pflanze aussah, den Panzer packte und ihn zerbrach.
Kaum war dies geschehen, kamen auch die Söldner in Schwierigkeiten, da nun der Boden unter ihren Füßen sich offensichtlich gegen sie verschworen hatte.
Die Ranken am Boden wurden zu Netzen, die die Söldner in Grüppchen zu Dreien oder Vieren umschlossen, so dass sie sich nicht mehr rühren konnten und absolut hilflos waren.
Jennifer und die anderen waren vollkommen überrascht von dieser schnellen unerwarteten Entwicklung der Situation.
„Nu was is'n jetzt los?“, sagte Zoey, die als erste die Sprache wiederfand.
„Das waren die Lauren!“, rief Emily.
„Sie machen Scherze.“, sagte Luc, „Diese kleinen Zwerge sollen Locusts Truppe lahm gelegt haben?“
„Ja, das haben sie.“, antwortete Charles.
„Wie haben die Lauren das angestellt?“, wollte Jennifer von Emily wissen.
„Sie können mit Hilfe von bioelektrischen Impulsen und chemischen Botenstoffen die Pflanzen kontrollieren.“, erklärte Emily.
„Und gerade vorhin, wollten sie uns sagen, dass sie uns helfen wollen.“, fügte Charles hinzu.
Jennifer blickte die beiden immer noch etwas ungläubig an, als einer der Lauren näher kam.
„Wir wollen nicht, dass die bösen Leute den Wald zerstören. Wir helfen euch.“
Diese Worte kamen aus dem Lautsprecher des Sprachübersetzungsgerätes.
„Und es ist euch endlich gelungen, die Sprache der Lauren zu entschlüsseln.“, bemerkte Jennifer.
„Nein, wir haben eure gelernt. Die ist viel einfacher als unsere.“, widersprach der Laure.



In der Ferne erklang das Donnern von Raketentriebwerken.
„He Leute, ich will euch nicht die Siegesfreude versauen, aber ich glaube, Locust haut ab.“, rief Zoey dazwischen.
„Nein, das wird er nicht.“, meinte der Laure.
Jennifer kniete nieder und sah den Lauren an.
„Was meinst du damit? Habt ihr noch eine Überraschung?“
„Der Wächter wird ihn aufhalten.“, sagte der Laure.
„Der Wächter?“, fragte Luc verdutzt.
„Ich glaube, sie meinen Aurigas Geist.“, vermutete Emily.
Jennifer sah Emily einen Augenblick lang verdutzt an und schaltete dann hastig den Computer im Ärmel ihres Overalls ein.
Ein holografisches Display erschien und Jennifer linkte sich in die Sensoren der APOLLO ein.
Wie es schien hatte Locust mit seiner Kommandokapsel gerade an dem Schiff angedockt und ließ die Triebwerke warm laufen.
„Der will also wirklich stiften gehen, dieser Schwachmat!“, sagte Zoey verächtlich.
„Nein, wird er nicht.“, sagte der Laure.
„Woher willst Du das wissen?“, erwiderte Luc, „In fünf Minuten ist sein Überlichtantrieb bereit und dann ist er weg.“
„Nein, wird er nicht.“
„Doch!“
„Nein.“
„Doch!“

„Nein.“
„Do-och!“
Gerade als Jennifer diesen Streit zwischen Luc und dem kleinen Lauren beenden wollte, bemerkte sie auf ihrem Holodisplay ein eigenartiges Objekt, das die Computer der APOLLO nicht identifizieren konnten.

„He Leute, wartet mal! Da hat sich gerade etwas dem Schiff in den Weg gestellt.“
„Es gibt also doch noch Gerechtigkeit!“, jubelte Sam.
„Und das ist gut so!“, meinte Charles, der von einem Ohr zum anderen grinste.



Über dem Planeten sah sich Steve Locust einem Weltraumlebewesen gegenüber, das wie ein bunter vielfarbiger Wirbel aussah.

Neben ihm stand sein Chefwissenschaftler und meinte: „Also Chef, ich möchte jetzt bestimmt keine negative Stimmung verbreiten, aber das sieht nicht gut aus.“
Locust wandte sich zu ihm um und sagte: „Danke für die Aufmunterung. Und wie kommen wir hier raus?“
„Ich fürchte, gar nicht, Chef. Das Ding hat unseren Überlichtantrieb lahm gelegt. Wir können also bloß noch mit den kleinen Düsentriebwerken davonzuckeln.“

„Sofern uns dieses Dings-da wegkommen lässt.“



Zu neuen Welten

Natürlich ließ Aurigas Geist Locust nicht so einfach davonkommen.
Am Ende musste er mit seiner Kapsel wieder auf dem Planeten landen, wo er von Luc und seinen Leuten festgenommen wurde.
Vier Wochen später kam das Raumschiff EINSTEIN vorbei und brachte Locust sowie seine Truppe zurück zur Erde, wo der Weltgerichtshof bereits den Prozess vorbereitete.
Wenige Tage zuvor hatte die Präsidentin der Vereinten-Erde-Organisation eine Rede gehalten, deren Aufzeichnung sich Jennifer gerade mit einer kleinen Gruppe von Lauren ansah.



„Die Mission der APOLLO war ein großer Erfolg und die Forschungsstation auf Lambda Aurigae hat mit ihrer Arbeit begonnen. Meine Regierung und die führenden Unternehmen der Industrie haben entschieden, dass wir die biokybernetische Technologie und die Rohstoffe vom Mond und den Asteroiden nur als Brücke verwenden, bis die neue biomechanische Technologie zur Verfügung steht. Unsere Vorgänger haben in den letzten beiden Jahrhunderten viel zu lange auf die althergebrachten Technologien vertraut anstatt den Mut zu haben, neue Wege zu beschreiten. Wir sind uns alle darin einig, dass wir nicht länger diese alten Wege beschreiten wollen, da eben diese den Planeten beinahe ruiniert haben. Diese Dinge werden sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen lassen. Es ist ein weiter Weg, doch kein Weg ist zu weit mit einem guten Freund an der Seite. Zusammen mit unseren neuen Freunden, den Garmen, Brekka und Lauren wollen wir nun gemeinsam in die Zukunft gehen und zu neuen Horizonten vorstoßen.“

Jennifer schaltete den kleinen Computer ab und sah zu den neuen Freunden der Menschen.
„Das war eine gute Rede.“, meinte einer der Lauren.
„Ja, das meine ich auch. Es ist schade, dass wir Menschen uns viel zu lange auf die falschen Dinge konzentriert haben anstatt das richtige zu tun und auf unser Herz zu hören.“, gab Jennifer zu.
Ein anderer Laure kam auf sie zu und meinte: „Wer einen Fehler macht und daraus lernt, ist weise. Wer aber denselben Fehler zwei mal macht, ist ein Narr. Ihr habt aus euren Fehlern gelernt.“



Im Kontrollraum der APOLLO bereiteten Sam und Zoey das Schiff für den Weiterflug vor. Die APOLLO sollte die umliegenden Sektoren kartografieren und erforschen.

Plötzlich bemerkte Sam die Zeichnung von Nathalie, die Zoey an einer freien Stelle aufgehängt hatte.
„Ist das ein altes Bild von dir, als du dir gewünscht hast Raumschiffpilotin zu sein?“, wollte Sam von ihr wissen.
„Oh nein, das ist von meiner Nichte Nathalie. Sie mit ihrem Privatraumschiff. Aber Jen meint, das wäre Blödsinn.“, antwortete Zoey.
Sam sah sich das Bild noch mal an und meinte dann „Oh, das würde ich nicht sagen. Vor fünfhundert Jahren kannte kaum ein Kind etwas anderes als den Ort, an dem es aufwuchs. Heute können Kinder mit dem Zug und einem digitalen Reisebegleiter allein von einer Stadt zu einer anderen fahren. Wer weiss, was in weiteren fünfhundert Jahren möglich ist. Vielleicht gibt es dann wirklich Privatraumschiffe, mit denen auch ein Kind wie Nathalie zu anderen Planeten oder Sternen fliegen kann. Das erinnert mich daran, wie ich als kleiner Junge im Museum die Luft- und Raumfahrtabteilung bewunderte. Besonders das zwanzigste Jahrhundert fand ich interessant. Die ersten Flugzeuge schafften gerade mal 30 Stundenkilometer. 70 Jahre später flog der Passagierjet Concorde mit doppelter Schallgeschwindigkeit, also fast 2000 Kilometer pro Stunde. Wir fliegen heute mit 2000facher Lichtgeschwindigkeit oder MAC 3.3 wie man sagt. Welche Geschwindigkeiten mögen die Schiffe in fünfhundert Jahren wohl erreichen können? MAC 6 oder sogar 7? Niemand weiss, was uns die Zukunft bringt. Alles ist möglich.“





Die Erfüllung eines Traumes

„Das war die Geschichte.“, sagt Frau Demirkan zu ihren Schülern.
„Was ist aus Charles und Emily geworden?“, will Rina wissen.
„Oh, das kann ich beantworten.“, sagt Erik, „Sie blieben zusammen bei der Forschungsstation und haben später geheiratet. Sein Vater hat ihn, weil er nicht die Archäologen-Laufbahn eingeschlagen hat, natürlich enterbt. Die APOLLO hat die Nachbarsysteme erforscht und kehrte dann nach Lambda Aurigae zurück.“
„Familiengeschichte?“, fragt Frau Demirkan und lächelt Erik an, der ein wenig rot wird.
„Familiengeschichte.“
„Was ist eigentlich aus Nathalie geworden?“, will Linus wissen, der unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutscht.
„Eine gute Frage.“, meint Frau Demirkan, „Versucht es doch mit Hilfe eurer Computer und den Schularchiven herauszufinden. Nehmen wir das als Hausaufgabe für morgen und ihr erzählt mir dann, was ihr herausgefunden habt.“



Nach einer Stunde haben Erik, Linus und Julia entdeckt, dass Nathalie als Erwachsene Biologie studiert und als Forscherin mit der ORION nach Lambda Aurigae geflogen war. So hatte sie sich indirekt den Traum vom Weltraumflug doch noch erfüllt.

„Irgendwie schade, dass sie nie ein Privatraumschiff haben konnte.“, meint Linus traurig.
„Ja, aber ohne Menschen wie sie, hätten wir all dies heute nicht.“, antwortet Erik.
„Vielleicht wusste sie, dass ihre Arbeit es anderen Kindern möglich macht, mit Privatraumschiffen zu den Sternen zu fliegen, so wie sie es sich immer gewünscht hatte.“, sagt Julia.
Erik und Linus sehen sie kurz an und verstehen, was sie meint.
„Wir sollten also mit unseren Raumschiffen fliegen, um ihren Traum zu erfüllen?“, fragt Linus.
„Ganz genau Kumpel! Also lasst uns abhotten.“, sagt Erik und schnappt sich die Fernsteuerung der PLEIADES.

Mit der erstaunlichen Geschwindigkeit von MAC 7.3, zwanzig Millionen mal so schnell wie das Licht und zehntausend mal schneller als die APOLLO vor über fünfhundert Jahren, durcheilt die PLEIADES den Weltraum und fliegt dem Trifid-Nebel entgegen.

Wer weiss, was in weiteren fünfhundert Jahren möglich sein wird?
So lange Menschen Träume und genügend Fantasie haben, gibt es keine Grenzen.








Karte der näheren Umgebung der Sonne





Abzeichen