Prolog: Abschied

„So ein großes Schiff!“, staunte der kleine Erik.
An diesem 3.Februar 2739 wollen seine Großeltern Heinrich und Meike mit dem Kolonistenschiff AENEAS aufbrechen, um irgendwo jenseits des Gum-Nebels eine neue Welt zu finden.
Noch ist das Schiff an die Newport News-Orbitalwerft, die wie eine riesige Blüte aussieht, angedockt und gemeinsam überfliegt dieses Gespann gerade Australien.
Die AENEAS ist sehr schlank und ihre Form erinnert an einen Riesenkalmar, wobei die drei langen Flügel für den elektromagnetischen Antrieb den Fangarmen entsprechen.



Während Erik das riesige Schiff bewundert, kämpfen sein Vater und seine Tante Isis gegen den Abschiedsschmerz an.
Da er noch klein ist, versteht er nicht, weswegen alle so bedrückt sind.
Isis kann noch immer nicht verstehen, was ihre Eltern auf einer neuen Kolonie wollen.
Aber Opa Heinrich und seine Frau haben – nach all den Jahren im archäologischen Dienst der Stiftung für Weltraumforschung – ihre Entscheidung getroffen und wollen noch einmal etwas Neues wagen.
Und so kam es, dass sie – ebenso wie viele andere – sich nun anschickten, mit dem ersten dieser neuen, siebenhundert Meter langen Schiffe in die Tiefen der Milchstraße aufzubrechen.



Nachdem seine Großeltern mit ihren Kindern letzte Worte gewechselt haben, wenden sie sich noch einmal an ihre Schwiegertochter und den kleinen Enkel.
„Mach's gut kleiner Struwelpeter und sei immer artig.“, verabschiedet sich Opa Heinrich wobei er mit der Hand über Eriks Haare streicht, der daraufhin lachen muss.
Oma Meike drückt Ihm einen letzten Kuss auf die Wange und bittet Shaula darum, auf Erik gut aufzupassen.
Dann verschwinden sie im Lift, und fahren zu der AENEAS.
Erik und seine Familie stehen an einem der Aussichtsfenster und sehen zu, wie das riesige Schiff ablegt.
Langsam entfernt es sich von der Orbitalwerft, verlässt den Erdorbit und nimmt Kurs auf das Sternbild Canis Minor (dt.: Kleiner Hund).
Einige hundert Kilometer hinter der AENEAS dreht sich ein Lasersatellit in die richtige Position und tut das Schiff mit einem gezielten Schuss auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigen.
Doppelt so schnell wie mit den besten Magnetfeldantrieben schießt die AENEAS wie ein Blitz davon und ist bereits nach wenigen Sekunden nicht mehr zu sehen.



Erik denkt zunächst, das Schiff würde nur einen kurzen Rundflug durch das Sonnensystem machen und danach gleich wieder zurückkehren.
Doch das geschieht nicht.
Stattdessen steigt seine Familie mit ihm in eines der an der Werft angedockten Shuttles und fliegt wieder nach Hause.
Als seine Großeltern nach einem Tag noch nicht zurück sind, denkt er „So eine Reise kann schon ein bisschen dauern“.
Erst nach drei Tagen wundert er sich allmählich und nach zwei Wochen wird ihm bewusst, dass sie nie mehr zurückkommen.
Zum ersten Mal in seinem Leben spürt Erik das Gefühl von Verlust und es macht ihn traurig.
Fast zwei Jahre lang kommt dieses Gefühl immer wieder in ihm hoch, wenn er zu den Sternen blickt, zwischen denen seine Großeltern verschwunden sind.
Als er zwei Jahre später sein eigenes Raumschiff – die PLEIADES – bekommt und mit seinen Freunden die Galaxis unsicher machen kann, denkt er ein paar mal darüber nach, seine Großeltern zu besuchen.
Aber aus irgendeinem, nicht näher benannten Grund hält die Stiftung für Weltraumwissenschaften die Position der AENEAS geheim.
Lediglich ein knapper Bericht über den von ihr gefundenen Planeten vom Typ Super-Erde wurde veröffentlicht.
Eine Welt mit einer reichhaltigen Flora und Fauna – doppelt so groß wie die Erde – deren Oberfläche zu achtzig Prozent von Wasser bedeckt ist und die von Ringen – ähnlich denen des Saturn – umgeben wird.
Dieser Planet muss wunderschön sein und Erik würde ihn zu gerne einmal sehen.



Verschwörung im Dunkeln

„Ihr habt euch ja ganz schön Zeit gelassen, meine kleinen Freunde.“
Der Vorwurf des interstellaren Wesens schmerzt die drei Ansi, die wie Sardinen in dem engen Cockpit ihres Raumschiffs quasi aufeinander sitzen, sehr.
Tatsächlich waren sie pünktlich zu ihrem Treffen gestartet, mussten aber einer plötzlich auftauchenden Patrouille der Weltraumpolizei ausweichen und ihre Spuren verwischen.
Das kostete natürlich Zeit, die man zuvor nicht eingeplant hatte.
„Es tut uns leid.“, versucht der Anführer der Ansi sich zu entschuldigen, „Aber da war plötzlich ein Schiff der Weltraumpolizei und ...“
„Ausreden, Ausreden ...“, seufzt das interstellare Wesen.
„Aber lasst uns nicht mehr darüber reden. Es gibt Wichtigeres zu besprechen. Ich weiß, wie wir an die Quantum-Technik der Alphaner gelangen können.“
Mit einem Schlag sind die Ansi hellwach.
Die Alphaner waren die erste Zivilisation der Galaxis und schon seit vielen hunderttausend Jahren verschwunden.
Aber viele ihrer hochentwickelten Hinterlassenschaften sind immer noch da und mehrmals hatten die Ansi und das interstellare Wesen versucht an diese zu gelangen, waren aber jedes Mal gescheitert.
Zumindest bis jetzt.



„In Ordnung! Wie lauten die Koordinaten?“, möchte der Anführer wissen und sein Kopilot hat seine Finger bereits nach der Tastatur ausgestreckt, um sie in den Schiffscomputer einzugeben.
„Tja, da gibt es ein klitzekleines Problem. Wir wissen die Koordinaten der zweiten Heimatwelt der Alphaner nicht. Aber wir können sie herausfinden oder besser gesagt, herausfinden lassen.“
Verdutzt sehen sich die Ansi gegenseitig an.
Entweder ist das interstellare Wesen doch nicht so hochintelligent – wie es immer von sich behauptet – oder es hat ihnen den größten Bären aller Zeiten aufgebunden, als es ihnen vor über einem Jahr erklärt hatte, es gäbe eine geheime Technologie der prähistorischen Alpha-Zivilisation, die sie zu den Herren der Galaxis machen würde.
„Und wie soll das gehen?“, fragt der Ansi-Anführer vorsichtig.
„Nun seid doch nicht so missmutig, meinen kleinen Helferlein. Dazu benötigen wir lediglich ein wenig Unterstützung von der Interstellaren Allianz und haben gleichzeitig die Möglichkeit uns für das Desaster mit dem Alpha-Teleskop zu rächen.“
Diese Antwort befriedigt die Ansi sehr, zumal sie nur allzu gut wissen wie es ist, nach einer verbockten Aktion – wie mit dem Teleskop – mehrere Stunden im Arrest der Weltraumpolizei zu sein.
Vor allen Dingen ein Raumschiff namens PLEIADES und drei Menschenkinder sind ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben.



Umzug nach Fantasia

„Daba dudu!“, macht die kleine Karin Bachmann und hält ihrem großen Bruder Erik ihr Lieblingstier – einen Elefanten – vor die Nase, um ihn aufzumuntern.
Zusammen sitzen die beiden an diesem 15.Januar 2743 – einem Freitag – inmitten der letzten Umzugskartons, die sich im Wohnzimmer ihrer Wohnung befinden und noch auf den Transporter müssen, der sie dann nach Starport 101 bringt.
Starport 101, eine Weltraumbasis weit außerhalb der Interstellaren Allianz, am jenseitigen Rand des Territoriums der Mendriten gelegen, soll nun ihr neues Zuhause werden.
Erik erinnert sich noch immer sehr lebhaft daran, wie seine Eltern ihm schonend versuchten beizubringen, dass man die Erde verlassen würde.
Das war ein ziemlich harter Schlag für ihn, denn er mochte das Sonnensystem und war hier gerne zuhause.
Glücklicherweise wurden die Familien seiner Freunde ebenfalls nach Starport 101 versetzt, so dass sie zusammen bleiben können.
Julias Mutter darf sich in Zukunft um den gewaltigen Computerkern der Station kümmern und Linus Eltern ihre Studien über Astrophysik fortsetzen.
Auch Eriks Mutter wird weiterhin ihrer Aufgabe als Astronomin nachgehen, während es hingegen für seinen Vater eine größere Umstellung gibt, da er als Geschichtslehrer arbeiten wird.
Nur seine kleine Schwester, die vor vier Monaten geboren wurde, bleibt von all den Umstellungen unbeeindruckt.
„Du hast es gut!“, sagt er zu ihr, während sie mit ihrem Plüschelefanten spielt und dabei vor Freude glucksen tut.



Plötzlich hört er Geräusche aus dem Eingangsflur der Wohnung, als die Leute vom Umzugsdienst kommen, um die restlichen Kartons zum Transporter zu schaffen.
Eriks Mutter Shaula kommt in das Wohnzimmer und schnappt sich den Kindersitz mit ihrer Tochter.
„Erik, wir müssen jetzt los. Hast du alles beisammen?“
Damit war der Augenblick gekommen, vor dem sich Erik in den vergangenen Wochen gefürchtet hatte.
Innerlich sagt er der Wohnung, die er von Kindesbeinen an kannte, ein flüchtiges Lebewohl und begibt sich zusammen mit seiner Mutter und der kleinen Schwester zum Astrodom.
Dort angekommen stellt er fest, dass die Familien seiner Freunde Linus und Julia anscheinend etwas früher aufgestanden sind und sich nun mit ihren Raumschiffen im Erd-Orbit befinden, wo sie auf den Rest der Gruppe warten.
„Oh je! War der Umzugsservice so spät dran?“, fragt Eriks Vater Julius, der gleich nach dem Frühstück zum Astrodom gefahren war und sein Raumschiff LIBELLE startklar gemacht hat.
„Das kannst du laut sagen, Schatz. Eine dreiviertel Stunde haben wir dadurch verloren.“, jammert Eriks Mutter und wirft sogleich einen fragenden Blick auf die LIBELLE.
„Sag mal, passt Karin eigentlich noch in unser Schiff rein? Besonders groß ist es ja nicht und das Handgepäck nimmt wahrscheinlich schon den meisten Platz ein.“
„Da hast du recht.“, stimmt ihr Julius zu und meint, „Am besten ist es, wenn Erik Karin mitnimmt.“
Sowohl Erik als auch seine Mutter bekommen bei diesem Gedanken – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – große Augen.
Aber es hilft nichts, Erik muss Karin in seinem eigenen Raumschiff – der PLEIADES – mitnehmen.
 Unter großen Mühen trägt er den Kindersitz mit seiner kleinen Schwester zum Einstiegstunnel des Schiffes, wobei er sich fast einen Bruch hebt, und bringt sie dann zur Pilotenkanzel.

"Wie kann jemand, der so klein ist, nur so schwer sein?"
Nachdem Erik seine Schwester neben der Steuerungskonsole abgestellt und an derselbigen Platz genommen hat, aktiviert er das holografische Programm Elektra, das er vor etwas mehr als einem Jahr von der antiken Heimatwelt der Alphaner mitgenommen hatte.
„Ah! Wie ich sehe, sind wir startbereit und die kleine Karin ist auch an Bord. Hallo Kleines!“, meldet sich Elektra, deren holografische Gestalt, halb durchsichtig, mitten in der Pilotenkanzel erscheint.
Karin muss beim Anblick des Hologramms mit den Armen winken, lachen und glucksen.
„Wenigstens eine, die sich freut.“, meint Erik dazu.
„Oh je! Du bist heute nicht so erfreut, wie mir scheint, oder?“
„Ja Elektra. Der Planet Fantasia ist zwar auch schön aber kein Vergleich mit der Erde. Ich liebe es zwar, im Weltraum unterwegs zu sein, aber die Erde ist mein Zuhause, zu dem ich immer wieder gerne zurückkehre.“
„Wer fort geht, wird eine lange Reise machen und wer eine lange Reise macht, wird wieder zurückkehren.“, zitiert Elektra den alten chinesischen Philosophen Tao Te Ching.
Nachdem Erik den Panoramabildschirm eingeschaltet hat, können die Kinder den Hangar des Astrodomes sehen und die kleine Karin verstummt sofort, weil sie von den Dingen, die dort draußen geschehen, ganz und gar fasziniert ist.
Erik sieht, wie die LIBELLE gerade den Hangar durch eines der unzähligen Schleusentore verlässt und folgt ihr mit der PLEIADES auf dem Fuße.
Nachdem sie außerhalb des Astrodoms sind, lässt Erik ein letztes Mal seinen Blick über Frankfurt am Main und die noch immer winterliche Landschaft des Taunus schweifen.
Dann schalten die beiden Raumschiffe ihre Impulsmotoren ein, schießen wie Pfeile in den Himmel empor, durchbrechen die Wolkendecke und verlassen allmählich die Erdatmosphäre.



Als PLEIADES und LIBELLE die Umlaufbahn erreicht haben, ruft Julia Erik von Bord ihres Raumschiffes LENA über das Interkom.
Kaum hat Erik das Gespräch angenommen, erscheinen seine Freundin und ihre Mutter Elke auf dem großen Panoramabildschirm.
„Mann, Mann, Mann! Was ist denn mit euch passiert? Wir dachten schon ihr seid unterwegs verloren gegangen.“, schimpft Julia.
„Tut mir leid, aber der Umzugsservice hat sich verspätet. Wie in dieser alten Satire-Sendung aus dem 21.Jahrhundert, die wir im Unterricht gesehen haben. 2063 wird der Warp-Antrieb erfunden, 2064 BER eröffnet.“ („Quer“ Jahresrückblick 2013, Bayerisches Fernsehen BR; Anm. d. Autors)



Während sich die beiden noch amüsieren, möchte sich Linus, der auf dem Raumschiff WALTER BAADE ist, ebenfalls in das Gespräch einklinken.
„He Kumpel! Da bist du ja endlich. Wir wollten schon fast eine Vermisstenmeldung aufgeben.“, meldet sich Linus.
„Nanu, heute so ungewohnt witzig?“, scherzt Julia, da Linus ansonsten immer sehr korrekt und kurz angebunden ist.
„Ha ha. Lachen tu ich später. Also, wollen wir dann endlich los?“, fragt Linus und blickt zu seinem Vater Robert, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Stefanie an der Steuerungskonsole der BAADE sitzt.
„Klar doch, mein Junge!“, antwortet Robert, „Wie sieht es bei euch aus Juli und Elkchen? Wollen wir den Turbo reinhauen?“
„Auf los geht’s los!“, ist Elkes einziger Kommentar dazu.
„Born to be wild – saumäßig unterwegs!“, zitiert Eriks Vater den Titel einer Filmkomödie aus dem frühen 21.Jahrhundert.
Die vier Raumschiffe nehmen eine rautenförmige Formation ein und schalten ihren elektromagnetischen Antrieb ein mit dem sie das Raum-Zeit-Kontinuum in ihrer unmittelbaren Umgebung so krümmen können, so dass sie – zumindest scheinbar – schneller als das Licht reisen können.
Auf dem Panoramabildschirm der PLEIADES werden alle Himmelskörper innerhalb von wenigen Lichtjahren – sowohl Planeten als auch Monde und Sterne – in die Länge gezogen und rasen mit unglaublicher Geschwindigkeit an ihnen vorbei.



Nach einer halben Stunde verlassen sie das Gebiet der Interstellaren Allianz und nähern sich dem Territorium der befreundeten Mendriten, das sie komplett durchqueren müssen, um ihr Ziel zu erreichen.
Nach einer weiteren halben Stunde kehren die Schiffe in das normale Raum-Zeit-Kontinuum zurück und befinden sich bereits im Bereich der inneren Planeten des Lys-Systems.
Die Schiffscomputer lassen sie auf eine elliptische Bahn um den zentralen Stern einschwenken, die sie in wenigen Minuten zu ihrem eigentlichen Ziel – dem Planeten Fantasia - bringt.
Der Planet ist zwar wunderschön und sieht der Erde nicht unähnlich, aber er hat auch einige Nachteile.
Aufgrund der dichteren Atmosphäre muss man der Augen wegen immer eine Schutzbrille tragen und das Atmen fällt schwerer.
Und da der Planet wesentlich größer als die Erde ist, ist die Schwerkraft auch etwas höher.
Aus diesen Gründen kann man nicht so wie auf der Erde herumtollen, da man schneller erschöpft ist.
Aber nicht der Planet, sondern die ihn in einem hohen Orbit umkreisende Station mit der Bezeichnung „Starport 101“ wird ab jetzt ihre neue Heimat sein.



Der Starport besteht aus insgesamt drei Sektionen.
Ganz oben an der Spitze ist ein 2000 Meter hoher Skytower, in dem sich die Kommandozentrale, der Computerkern, die Labore, Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten befinden.
Darunter liegt eine ebenso große, sternförmige Andockstation, die dem Astrodom von Frankfurt nicht unähnlich ist.
Aber zusätzlich zu den Schleusen für kleinere Raumschiffe hat sie acht große Dockpylone für größere Transporter, die aus der Andockstation herausragen.
Die letzte Sektion, die die untere Hälfte der Station ausmacht, sieht aus wie ein langer, schlanker Holm, der in einem dicken Tropfen endet.
Dies ist der Antigravitationsgenerator, der dafür sorgt, dass die Station ihre Umlaufbahn beibehält und nicht auf den Planeten abstürzt.
Langsam nähern sich die Raumschiffe der 8000 Meter hohen Raumstation und werden von der Kommandozentrale für die Landung eingewiesen.
Währenddessen umkreisen mehrere Schiffe der Weltraumpolizei die Station und wachen über ihre Sicherheit.

In der Kommandozentrale von Starport 101 schauen Kommandant Christoph Adrian und Sicherheitschef Grig gemeinsam zu, wie die vier Privatraumschiffe sich der Station nähern und im Hangar landen.
Adrian ist ein Mensch Ende fünfzig und stammt aus dem Land von der Erde, das man Frankreich nennt.
Im Laufe der letzten Jahre hat er zwar seine Haare auf dem Kopf verloren, sich als Ersatz dafür aber einen ordentlichen, buschigen Bart zugelegt.
Als er achtzehn Jahre alt wurde, trat er der Stiftung für Weltraumforschung bei und arbeitete bisher ausschließlich auf Raumschiffen.
Vor allen Dingen wegen seines diplomatischen Geschicks beim Umgang mit unbekannten Zivilisationen war man auf ihn aufmerksam geworden und entschied sich, ihn zum Kommandanten dieses Weltraumhafens in der äußeren Grenzregion zu machen.



Grig hingegen ist ein blauhäutiger, muskulös gebauter Garmen und tut mit seinen zwei Metern Körpergröße jeden Menschen locker überragen.
Sein Heimatplanet Garmenus ist eine Dschungelwelt, auf der die Stämme der Garmen ähnlich wie die Yanomami-Indianer im tropischen Urwald Brasiliens leben.
Als die ersten Überlichtraumschiffe der Erde Anfang des 23.Jahrhunderts Garmenus entdeckten, waren die Garmen ein naturverbundenes Volk und ihre einzigen Werkzeuge hießen Pfeil, Bogen und Speer.
Zwar haben die Garmen inzwischen einige technische Annehmlichkeiten in ihr Alltagsleben integriert, aber im Großen und Ganzen ziehen sie es immer noch vor, wie ihre Vorfahren in Schilfhütten anstelle von Wolkenkratzern zu leben.
Da die Garmen einen sehr ausgeprägten Jagdinstinkt besitzen, zieht es die meisten von ihnen – so wie Grig – zur Weltraumpolizei, wo sie für die Sicherheit der Interstellaren Allianz sorgen.
Ein Sprichwort der Ansi lautet: „Leg dich nicht mit einem Garmen an. Und wenn doch, solltest du besser sehr schnell laufen können.“
Hier – jenseits des Gebietes der Mendriten – im Niemandsland, das man allgemein „Outback“ nennt, wird die Weltraumpolizei richtig gefordert, da sich in dieser Region der Galaxis viele neue Spezies befinden, bei denen man noch nicht weiß, was diese im Sinn haben.
Dieser Tag zumindest hat keine besonderen Überraschungen in petto gehabt.
„Das ist die letzte Gruppe von Raumschiffen, die gerade eingetroffen ist.“, meldet Grig, nachdem die BAADE als letztes Schiff gelandet ist.
„Morgen kommen noch einige Schwerlasttransporter. Sind die Andockpylone einsatzbereit?“, erkundigt sich Adrian.
„Bei Nummer drei gibt es noch ein paar kleinere Probleme.“, antwortet Grig, „Aber Chefingenieur Valik meint, dass er das bis morgen Früh hinbekommt.“
Valik kam vom Planeten Styrax, sah aus wie eine große Küchenschabe und war ständig am Schaffen.
Wenn er sagt, er schafft das, dann kann Adrian sich sicher sein, dass dies so ist.
„Manchmal wünschte ich, ich hätte auch vier Arme ...“, meint Adrian wehmütig.



Laserball

Nach fünf Tagen haben sich Erik und seine Freunde auf Starport 101 halbwegs eingelebt und die Dinge beginnen allmählich wieder ihren normalen Gang zu nehmen.
Leider mussten sie feststellen, dass auch der freche Gregori und die meisten seiner Kumpel auf die Raumstation versetzt worden sind.
In der Schule kam es bereits zu ersten Reibereien.
Das wollen Erik, Linus und Julia natürlich nicht auf sich sitzen lassen und haben sich etwas besonderes ausgedacht.
Kurzerhand fordert man die Rabauken zu einem Laserball-Spiel heraus und trifft sich in einer der Spielhallen, die sich in der Raumstation befinden.
Beide Mannschaften stellen sich auf, wobei Gregori, Ruben und Rufus sich wie in einer Dreier-Kette beim Fußball positionieren.
Erik, Linus und Julia nehmen hingegen eine Dreiecksformation ein.
Erik und Linus bilden die Spitzen, während ihre Geheimwaffe Julia etwas weiter hinten in der Mitte steht.
„Mal sehen, wie lange es dauert, die Pfeifen vom Platz zu fegen. Bis zwölf müssen wir fertig sein. Dann gibt’s Mittagessen.“, lästert Ruben.
„Na warte nur, du Oberschwurbler!“, flüstert Linus gerade so laut, dass Erik ihn noch verstehen kann.
Das Spiel beginnt damit, dass der Computer per Zufallsgenerator eine Mannschaft auswählt und auf deren Seite ein elektronischer High Tech-Ball von der Decke fällt.
Rufus holt weit aus und schlägt den Ball mit voller Wucht Richtung Julia.



Doch diese fängt den Ball mühelos ab und lässt ihn mit noch höherer Geschwindigkeit in die Ecke sausen, wo Ruben steht.
Dieser versucht hinter dem Ball her zu hechten, erwischt ihn aber nicht mehr und so machen Erik, Linus und Julia ihren ersten Punkt.
Als Nächster ist Linus dran, der verschmitzt grinst, bevor er den Ball auf seine Reise schickt.
Der Ball droht genau zwischen Gregori und Rufus hindurch zu fliegen, die natürlich nicht wollen, dass die anderen noch einen Punkt machen.
Und so versuchen sie sich – ohne darüber nachzudenken – gleichzeitig dem Ball in den Weg zu stellen, was dazu führt, dass sie mit den Köpfen zusammenstoßen und für ein paar Sekunden benommen sind.
In der Zwischenzeit erreicht der Ball die Wand hinter ihnen, prallt ab und fliegt zu Erik, der ihn pariert und abermals trifft der Ball die gegenüberliegende Wand.
„Gut, dass Linus so gut in Mathe ist.“, denkt sich Erik.
Linus hat den letzten Spielzug wirklich gut vorausgeplant und ihre Gegner stehen nun wie begossene Pudel dar, als ihnen klar wird, dass sie mit mittlerweile drei Punkten zurückliegen.
Und so ähnlich geht es eine knappe halbe Stunde weiter.
Den besten Schlag des Tages schafft Julia, die den Ball zu der rechten Seitenwand schlägt, von der er weiter zu der rückwärtigen Wand und dann zu der linken Seitenwand fliegt.
Dabei ist er mit so hoher Geschwindigkeit unterwegs, dass die anderen soviel springen können wie sie wollen, es hilft einfach nichts, sie erwischen den Ball einfach nicht.
Gregori und seine Rasselbande können ihrerseits nur wenige Punkte machen und sind völlig fertig.
„Ach übrigens, es ist gleich Mittag.“, meint Linus und revanchiert sich damit bei den Rabauken für die schnippische Bemerkung zu Beginn des Spieles.
„Mann hab ich einen Kohldampf. So ein Laserball-Spiel schlaucht ganz schön. Nicht wahr?“
Gregori und seine Freunde nicken müde mit dem Kopf und alle verlassen die Spiel-Halle.



Erik aktiviert das in seinen linken Anzugärmel eingebaute Pad und wirft einen Blick auf die Uhr.
„Du Linus, steht deine Uhr schon auf Sommerzeit? Es ist noch lange nicht Mittag.“
„Nein, natürlich nicht. Tatsächlich haben wir über eine Stunde Zeit.“
„Und was machen wir mit der?“, will Julia wissen.
„Ich habe einen interessanten Bericht über das neue Weltraumteleskop gelesen, das Lilith umkreist. Wie wäre es, wenn wir uns das mal kurz ansehen.“, meint Linus.
„Ja genau. Das ist nur ein Katzensprung.“, stimmt Erik zu und sie machen sich auf den Weg zum Hangar.



Ein kleiner Ausflug

Langsam nähert sich die PLEIADES dem neuen Weltraumteleskop, das Lilith – den kleineren der beiden Gasriesen des Lys-Systems – umkreist.
„Es sieht wie eine Nachahmung des Teleskops meiner Erbauer aus.“, meint Elektra.
„Im Prinzip ja.“, antwortet Linus, der von dem Teleskop total begeistert ist, seit er vor ein paar Wochen einen Artikel darüber las.
„Aber unsere Wissenschaftler haben es technisch noch ein wenig auf die Spitze getrieben. Es besteht aus sechs Segmenten, die im Augenblick miteinander gekoppelt sind. Man kann sie auch trennen und so eine höhere Auflösung erreichen.“, fährt er fort.
„So so.“, meint Elektra ein wenig verschnupft.
„Nicht ärgern, Elektra. Das alte Alpha-Teleskop wird ebenfalls von der Stiftung für Weltraumforschung verwendet. Mama meint, wenn man sie zusammenschaltet, kann man bis zum Rand des Universums sehen. Ein virtuelles Teleskop mit einem Schüsseldurchmesser von zwanzigtausend Lichtjahren. Das wird toll!“, versucht Erik sie zu beschwichtigen.
„Da wird man bestimmt wieder viele neue Erkenntnisse gewinnen und alles, was man bisher zu wissen glaubte, von einem Augenblick zum anderen den Main hinunter schwimmen.“, munkelt Julia in Anlehnung an etwas, das sie im Geschichtsunterricht gehört hatten.
In praktisch jedem der vergangenen Jahrhunderte gab es eine entscheidende Entdeckung, die fast das gesamte bisher erworbene Wissen entweder in Frage stellte oder gar ad absurdum führte.
„Kann leicht sein.“, erwidert Linus, „Wer weiß, was man am Rand des bekannten Universums entdeckt. Vielleicht kann man endlich beweisen, dass wir in einem Multiversum leben. Darauf wartet man schon, seit Alan Guth im späten zwanzigsten Jahrhundert die Idee hatte, es könnte nicht nur eines, sondern viele Universen geben.“
Gebannt blicken die Kinder auf den Panoramabildschirm, der nun zur Hälfte von dem gigantischen Teleskop ausgefüllt wird.
Jedes der sechs Segmente, aus denen es sich zusammensetzt, hat die Form eines Fünfecks.
Die multispektralen Detektoren, mit denen die Segmente übersäat sind, leuchten in einem hellen Blau, weil sich das Teleskop zur Zeit in einem Testmodus befindet.
Erst wenn man alle Instrumente geprüft und geeicht hat, wird es seinen regulären Betrieb aufnehmen.



„Merkwürdig.“, sagt Elektra beiläufig, während die Kinder noch immer das neue Teleskop studieren.
„Was ist merkwürdig?“, will Erik wissen.
„Ich habe gerade den Kontakt mit Starport 101 verloren und ein sehr großes Objekt mit den Abmessungen 24 mal 20 Kilometer nähert sich Fantasia von der uns abgewandten Seite. Normalerweise würde ich es für einen Asteroiden halten. Aber dieses Objekt ist mit Überlichtgeschwindigkeit in das System eingetreten. Es muss also künstlichen Ursprungs sein.“
„Vielleicht ein Raumschiff.“, meint Linus.
Julia schüttelt daraufhin mit dem Kopf.
„Von einem Raumschiff, das 24 Kilometer lang ist, habe ich noch nie gehört. Selbst die Cephei und Triani haben nichts, das auch nur annähernd so groß ist. Das ist ja schon fast ein kleiner Mond.“
Nun wird Erik die ganze Sache unheimlich.
„Ich glaube, wir fliegen besser so schnell wie möglich zurück und sehen nach, was los ist.“
Mit einem Drittel Impulskraft fliegt die PLEIADES in einer hyperbolischen Bahn um Lilith herum und lässt sich von der Schwerkraft des Gasriesen in Richtung Fantasia schleudern.



Die Übernahme der Raumstation

Sicherheitschef Grig sitzt gerade mit der jungen, sympathischen Kommunikationsoffizierin Bibi vom Planeten Brekka im Café CASABLANCA, als er mit einem Ohr einen Wortwechsel von dem in der Nähe befindlichen Check-In mitbekommt.
„Was ist denn das für ein Roboter, den sie da bei sich haben? So einen habe ich noch nie gesehen.“, fragt einer seiner Sicherheitsleute.
„Och, nichts besonderes. Der trägt nur unser Gepäck.“, antwortet eine schrille Stimme, die eindeutig zu einem Ansi gehört und Grig ahnt nichts Gutes.
Als sein Sicherheitsmann nachfragt „Und wo ist das Gepäck?“ geht der Schlamassel los.
Aus dem Roboter, der bis jetzt wie eine Tonne auf Rädern aussah, fahren zwei wuchtige Arme aus, die in großen Rohren enden.
Innerhalb weniger Sekunden ergießt sich aus diesen Rohren ein Hagel dutzender grüner Kugeln, die beim Auftreffen auf Gegenstände und Personen einen ein bis zwei Meter breiten, klebrigen Matschfleck bilden, von dem man sich nicht ohne fremde Hilfe lösen kann.



So werden sämtliche Sicherheitsleute am Check-In ausgeschaltet und die Ansi scheuchen mit ihren Laserpeitschen – auf dem Weg zu einem der Aufzüge – alle Passanten aus dem Weg.
Grig, der mit Bibi hinter dem Tresen des CASABLANCA in Deckung gegangen ist, kann gerade noch die Kommandozentrale warnen, wo sofort das Chaos ausbricht.
„Wohin sind die Ansi unterwegs?“, will Commander Adrian wissen.
Der farlinische Operator Gilan wirft einen kurzen Blick auf die Anzeigen seines Kontrollpults.
„Sie sind auf dem Weg zum Computerkern und gerade angekommen.“
„Merde! (französisch für „Mist!“, Anm. d. Autors)“, entfährt es Adrian, der in diesem Augenblick bedauert, dass die Turbolifte so schnell sind.
Anderenfalls hätte man vielleicht noch die Zeit gehabt, die Ansi irgendwo unterwegs festzusetzen.
So aber haben sie den Computerkern erreicht, wo sie die verdutzte Elke, Robert, Stefanie und einige Techniker in ihre Gewalt bringen.
Anschließend entziehen sie der Kommandozentrale die Kontrolle über die Raumstation, so dass Adrian und seine Leute nur noch hilflos daneben stehen und zusehen können.
„Warum haben die Ansi unsere Station gekapert? Was wollen sie damit? Das ist vollkommen untypisch für sie.“
„Sie haben es auch nicht für sich, sondern für mich gemacht.“
Augenblicklich verstummen alle Gespräche in der Kommandozentrale des Starport, so dass man hören könnte, wie eine Stecknadel auf den Boden fällt.
Niemand hat je zuvor eine derart unheimliche Stimme vernommen, die nicht nur aus einer, sondern aus vielen verschiedenen Stimmen zu bestehen scheint, so dass sie wie ein geisterhafter Chor klingt.
Gilan ist der erste, der sieht, woher sie stammt.
„Commander, würden sie bitte einen Blick auf den Außenbildschirm werfen?“
„Gott gütiger!“, entfährt es Commander Adrian, als sich ein interstellares Wesen der Station nähert, das die Größe des Starport um ein Mehrfaches übertrifft.
Das Wesen besteht aus vielen einzelnen Komponenten, die wie Keile aussehen und in zwei ineinander verwobenen Ellipsen angeordnet sind.



„Was wollen sie von uns?“, fragt Adrian mit zitternder Stimme.
Er hat in seiner Laufbahn schon vieles gesehen, aber dieses Wesen ist anders als alles, was ihm bisher begegnet ist.
„Von ihnen?“, antwortet der Chor, „Was ich will, betrifft nicht sie alle. Nur diese drei kleinen Plagen, die mir in der Vergangenheit einiges an Ungemach zugefügt haben.“
Bevor Adrian fragen kann, was das Wesen mit den drei kleinen Plagen meint, kommt die PLEIADES wie ein Falke in einem weiten Bogen geschwind wie der Wind heran.
Nachdem Elektra gemeldet hatte, dass mit Starport 101 etwas nicht in Ordnung ist, war Erik so schnell es ging zurückgekehrt.
„Ah, da sind ja meine kleinen Freunde! Schön, dass ihr auch noch kommen konntet. Dann sind wir ja alle beisammen.“, jubelt das fremde Wesen.
„Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, dass wir deine Freunde sind. Gib sofort die Raumstation frei!“, erwidert Julia mit fester Stimme in der Hoffnung ihre Furcht vor dem Wesen verbergen zu können.
Tatsächlich geht ihr in Gegenwart des riesigen Wesens – ebenso wie ihren Freunden – das Muffensausen eins zu tausend.
Doch das Wesen ist offenbar sehr intelligent und fällt nicht auf ihre Täuschung herein.
„Nun pluster dich mal nicht so auf Julia Winter. Ich und meine fleißigen Helferlein werden die Station dann frei geben, wenn ich es für richtig halte.“
„He Julia.“, flüstert Linus, „Woher kennt der dich?“
„Aus euren Datenbanken natürlich mein lieber Linus Conrad. Und ebenso kenne ich dich, mein herzallerliebster Erik. Erik Bachmann nicht wahr?“
In Eriks Kopf rasen die Gedanken und plötzlich fällt der Groschen.
Im Geiste ist er ein Jahr in den Januar 2742 zurückgereist und befindet sich inmitten der Versammlung des interstellaren Wissenschaftsrates, der die Mission zur Suche nach der Heimatwelt der Alpha-Zivilisation berät.
Der Leiter des Rates sagte damals: „Vor einigen Monaten wurde auf dem Erdmond ein weiteres Artefakt der Alphas geborgen. Hierbei handelte es sich um eine Sonde, die die Entwicklung des Lebens auf der Erde aufzeichnen sollte. Auf noch ungeklärte Weise ist irgend jemand in die irdischen Datenbanken eingedrungen und hat die Informationen über diese Sonde gestohlen. Wir wissen nicht, wer diese fremde Macht ist, haben aber Hinweise darauf, dass die Ansi mit ihr in Verbindung stehen.“
„Als wir nach Alpha suchten, hatten wir Konkurrenz. Das warst du! Du bist damals in die Datenbanken der Allianz eingedrungen und hast die Daten über Alpha gestohlen.“, sagt Erik mit heiserer Stimme.
„Sehr gut kombiniert! Ich habe euer – Wie nennt ihr es? Ach ja! - interstellares Informationsnetz abgehört. Das meiste davon war echt langweilig. All diese sinnlosen Videofon-Gespräche und Messages.“
„Ich war heute ganz toll shopen! Mein Gott, ich habe schon wieder fünf Kilo zugenommen!“, äfft es einige der mitgehörten Gespräche nach, ehe es fortfährt.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ätzend dieser geistige Exhibitionismus ist. Aber dann waren da inmitten des Sandhaufens auch ein paar Goldnuggets. Und so wurde ich auf Alpha und seine hochentwickelte Technologie aufmerksam. Leider bist du mir zwei mal in die Quere gekommen. Das erste Mal auf eurer Expedition, an deren Erfolg du nicht ganz unbeteiligt warst. Und das zweite Mal hast du meine Helferlein daran gehindert das alte Teleskop zu übernehmen. Aber das ist alles Schnee von gestern. Also mein guter Erik, lass uns wieder Freunde sein und wenden wir uns neuen Zielen zu.“
„Neue Ziele? Was heißt hier neue Ziele?! Sie haben den Startport mit unseren Eltern und Freunden an Bord übernommen! Was soll das?!“, platzt es aus Linus heraus, der nicht mehr an sich halten kann.
„Sachte, sachte Linus. Immer merken: In der Ruhe liegt die Kraft. Schau mal wie ruhig ich beispielsweise bin. Da kannst du dir eine Scheibe davon abschneiden. Oder auch zwei.“
Linus ist stinkwütend wegen der schnippischen Bemerkungen des Wesens und möchte ihm am liebsten den Marsch blasen, aber Julia kneift ihn in den Arm und hält ihn gerade noch rechtzeitig zurück.
Aufgrund dessen, was sie inzwischen gehört haben, weiß sie nicht, ob es gut ist, das Wesen zu verärgern.
„Und nun, meine kleinen Freunde, kommen wir zum Geschäft. Also den Startport betrachte ich erst einmal als ein Faustpfand, das ihr aber wieder auslösen könnt, wenn ihr einen klitzekleinen Job für mich erledigt. Ich habe vor etwa einem Jahr heraus gefunden, dass die Alphaner ihre sterbende Heimatwelt verließen und sich auf einem neuen Planeten niederließen, wo sie eine völlig neue Quantum-Technologie entwickelten. Und genau diese sollt ihr mir bringen. Das wäre alles. Na, ist das ein Angebot?“
Erik spürt, wie Wut und Verzweiflung gleichzeitig in ihm aufsteigen, so dass er sich nicht entscheiden kann, ob er nun schreien oder weinen soll.
„Warum sollen wir diese Technolgie suchen?“, erwidert Julia, „So intelligent wie du bist, könntest du das jederzeit allein schaffen. Warum also wir?“
„Julia Winter, du bist wirklich ein Cleverle! Tja, warum gehe ich nicht selbst auf die Suche? Nun, zum einen habe ich mit euch noch eine Rechnung wegen der beiden Schlappen, die ihr mir bereitet habt, offen. Strafe muss sein. Das werdet ihr ja wohl einsehen. Zum anderen haben die Alphaner in ihrer Spätzeit einen neuen Sprachdialekt entwickelt, den ich nicht entziffern kann. Aber ich weiß jemand, der sich damit beschäftigt hat. Und du kennst ihn auch, Erik.“
Mit Tränen in den Augen blickt Erik hilfesuchend zu Elektra.
„Wo ist die zweite Heimatwelt?“
Elektra muss jedoch schulterzuckend passen.
„Tut mir leid, das weiß ich nicht. Diese Information war nie Teil meiner Programmierung.“
„Das hätte ich euch auch sagen können. Das holografische Programm wurde vor dem Exodus angelegt und war lediglich als Empfangskomitee für eventuelle Besucher gedacht. Das Programm kann dir nicht weiter helfen. Aber dein Großvater kann es. Er hat sich – im Gegensatz zu den anderen Dösköppen von eurer Weltraumforschungsstiftung – sehr viel mit der Spätzeit der Alphaner beschäftigt. Du brauchst also nur Kurs auf Arcadia setzen und ...“



„Bitte. Kannst du unsere Familien nicht einfach frei lassen?“, fleht Erik das Wesen in einem verzweifelten, letzten Versuch an. Allein Arcadia finden – dessen Koordinaten Geheimsache waren – und dann die zweite Heimatwelt der Alphaner, die weiß Gott irgendwo in der Milchstraße lag. Wie um alles in der Welt sollte er das schaffen?
„Nicht traurig sein, mein Kleiner. Wenn ihr mir bringt, was ich möchte, ist alles wieder in Ordnung. Das ist doch nicht schlimm, oder?“
„Zumindest könntest du uns eine kleine Starthilfe geben.“, meint Julia.
„Eine Starthilfe?“, fragt das Wesen verdutzt.
„Die Koordinaten von Arcadia. Die kennst du doch bestimmt aus unseren Datenbanken, oder?“
„Die Koordinaten von Arcadia? Nichts leichter als das! Galaktische Koordinaten, Rektaszension 17 Stunden 22 Komma 15 Minuten, Deklination null Grad 12 Minuten 36 Sekunden. Nun aber ab mit euch. Husch, husch!“
Mit höchster Impulskraft schwingt die PLEIADES in einem Halbkreis herum und schießt schneller als ein Blitz davon, als ihr MAC-Antrieb das Raum-Zeit-Kontinuum krümmt und sie scheinbar schneller als das Licht den Weltraum durcheilt.



Eriks Eltern Julius und Shaula stehen an einem der großen Aussichtsfenster ihrer Wohnung und blicken der PLEIADES hinterher.
„Hoffentlich geht das gut.“, jammert Shaula.
„Sie werden das schon schaffen.“, versucht ihr Julius Mut zu machen.



Epilog

Fast eineinhalb Stunden sind vergangen seit Starport 101 von den Ansi gekapert wurde und noch immer schlägt Erik, Linus und Julia das Herz bis zur Kehle empor.
Mit höchstmöglicher MAC-Geschwindigkeit rast die PLEIADES durch den Orion-Arm.
Auf dem Panoramabildschirm wird der riesige Gum-Nebel immer größer und größer.
Fieberhaft rechnet Erik wie lange sie brauchen werden, um den Nebel mit seinem Durchmesser von tausend Lichtjahren zu durchqueren und kommt dabei auf 26 Minuten und ein paar Zerquetschte.
Und nach dem Gum-Nebel ist es nicht mehr weit nach Arcadia.
Wie ein Blitz schießt die PLEIADES auf den Nebel zu und taucht in seine äußeren Bereiche ein.





Nachwort des Autors, 21.Juni 2014

Die Idee zu dieser Fortsetzungsgeschichte entstand bereits im Frühjahr 2010, als ich die aus den Jahren 1994 bis 1995 stammenden Geschichten in das Internet stellte und mir Gedanken über die Zukunft machte.
Bei einer Geschichte, die mit den Worten endet „Fortsetzung folgt ...“, besteht natürlich immer die Gefahr, von den Fans gelyncht zu werden.
Ich hoffe jedoch, dass meine Leser gnädig mit mir sind.
Die Hälfte der Bilder des zweiten Teils ist schon fertig und die Storyline steht auch fest.
 Allzu lange sollte es also nicht mehr dauern, es kann sich allenfalls um Jahre handeln.

wink

Eine meiner großen Vorlieben ist der Einbau von Querverbindungen zwischen den einzelnen Geschichten.
Eriks Großeltern, die man bereits aus dem Prequel „Der Weihnachtswunsch“ kennt, tauchen in dieser Geschichte erneut auf und wir erleben – was am Beginn von „Eine kleine Weihnachtsgeschichte“ erwähnt wird – wie sie die Erde verlassen.
Im zweiten Teil werden sie bei der Suche nach der zweiten Heimatwelt der Alphas eine sehr wichtige Rolle spielen, aber auch ELJ (Erik, Linus und Julia) haben ihren großen Moment.
Und wir erfahren, weshalb die Interstellare Allianz aus der Position des Planeten Arcadia so ein großes Geheimnis macht.
Mehr wird jetzt aber noch nicht verraten.



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