Widmung

Für Neil, Buzz und Michael.
Drei Jungs, die für die Menschheit einen riesengroßen Schritt gemacht haben.



Ausflug zum Mond

Stufe für Stufe erklimmt der berühmte Forscher Erik Bachmann eine geheimnisvolle uralte Pyramide auf einer fremden Welt.
Sie ist das einzige Überbleibsel einer unbekannten Zivilisation, deren andere Gebäude im Laufe der Jahrtausende von Dschungelpflanzen überwuchert worden sind.
Fast hat er den Schacht in der Nähe der Pyramidenspitze erreicht, wo er hofft, in das Innere zu gelangen und alle Rätsel zu lösen, als er plötzlich eine vertraute Stimme hört.

„Erik, Zeit zum Aufstehen.“
„Komisch, was macht Mama hier?“, denkt er sich.
Nachdem er mühsam zuerst ein Auge und dann das andere geöffnet hat, muss er erkennen, dass die Wirklichkeit ihn wieder eingeholt hat.
Er befindet sich nicht auf einer geheimnisvollen Pyramide irgendwo auf einer ebenso geheimnisumwitterten Dschungelwelt, sondern in seinem Bett und schlagartig erinnert er sich: seine Mutter möchte ihm und seinen Freunden heute ihren Arbeitsplatz in dem astronomischen Labor zeigen, das sich auf dem Erdmond befindet.
Schnell steht er auf, wäscht sich, zieht sich an und geht in das Esszimmer, wo seine Mutter schon das Frühstück angerichtet hat.
Wie jeden Morgen muss Erik erst mal checken, wie es seinem kleinen Geschwisterchen geht, das im Bauch seiner Mutter heranwächst.
„Ich glaube, es ist wieder ein Stückchen gewachsen.“, meint er fachkundig.
„So so.“, schmunzelt seine Mutter, die sich über den Eifer freut, den Erik an den Tag legt.



Nachdem sie gegessen haben, begeben sie sich zum Astrodom, wo sie von Linus und Julia erwartet werden.
„Geht's nun los?“, möchte Linus wissen, der schon ganz kribbelig ist.
„Ja eigentlich schon.“, meint Shaula, die sich verwundert umsieht.
„Fragt sich nur, wo Professor Jorgenson ist. Wir sollten ihn hier treffen.“
Kaum hat sie das gesagt, steht schon ein älterer Mann neben ihr, der sie begrüßt und dabei einen kritischen Blick auf die Kinder wirft.
„Guten Morgen liebe Kollegin. Wie ich sehe, haben wir heute ein paar kleine Sternenreisende dabei.“
„Aber Professor, ich habe ihnen doch vor ein paar Wochen gesagt, dass wir meinen Sohn und seine Freunde mitnehmen.“
Schnell nimmt Jorgenson sein Pad, das er unter dem Arm trägt zur Hand, sieht in seinem Kalender nach und reißt die Augen weit auf und meint kleinlaut „Nun ja, wenn das so ist ... dann wollen wir mal los.“
„Typisch. Das passiert jedes Mal.“, sagt Shaula so leise, dass es nur die Kinder hören können.



Zusammen gehen sie zu einer Raumfähre, die den Namen SELENE trägt.
Diese sieht ganz anders aus, als die Raumschiffe, die man sonst kennt.
Ihr Rumpf ist keine Untertasse oder Kugel, sondern ein langgestreckter Ellipsoid mit einem spitzen Bug.
Im Inneren befinden sich fünf Sessel, die in einer elliptischen Formation angeordnet sind.
Die Kinder schnappen sich natürlich die vorderen, damit sie einen besseren Ausblick haben.
Kaum haben alle Platz genommen, meldet sich der Bordcomputer zu Wort.
„Hallo alle zusammen! Wo soll es heute hingehen?“
„Da wo es immer hingeht. So eine blöde Frage.“, murmelt Shaula.
„Zum Neumayer-Mondlabor.“, sagt Professor Jorgenson.
Sofort hebt die Raumfähre ab und verlässt den Astrodom.



„Wie lange sind wir eigentlich unterwegs? Ich glaube hier gibt es keine Bordunterhaltung oder so?“, möchte Linus wissen.
Daraufhin rümpft Jorgenson die Nase und meint: „Wofür halten sie uns junger Mann? Für ein Kreuzfahrtschiff? Sollen ich und meine Kollegin vielleicht singen und tanzen?“
„Als wir letztes Jahr zum Mond-Museum geflogen sind, waren wir drei Stunden unterwegs.“, meint Erik.
„Keine Sorge kleiner Freund!“, antwortet der Bordcomputer überschwänglich, „Ich bin nicht so flügellahm wie diese Touristenkutschen. In einer halben Stunde sind wir da. Keine Sorge!“
Und der Bordcomputer hat nicht geflunkert.
Sobald die SELENE die Erdatmosphäre verlassen hat, kann man – wenn man genau aufpasst – sehen, wie die Mondscheibe auf dem Bildschirm stetig größer wird.
Auf halber Strecke sind bereits die Lichter der Mondstädte Armstrong City und Aldrin Town zu erkennen.
Und irgendwo in einer Umlaufbahn um den Mond kreist die Raumstation COLLINS.
Erik findet es passend, dass man die Städte nach den beiden APOLLO-11-Astronauten benannte, die auf dem Mond landeten, während die Raumstation den Namen des dritten Astronauten bekam, der in der Umlaufbahn auf die Rückkehr der anderen warten musste.
„Herr Professor“, wendet sich Julia an Jorgenson, „SELENE war doch auch der Name der ersten Mondfähre, die im 21.Jahrhundert auf dem Mond landete.
„Aha, da hat jemand in Geschichte aufgepasst. Ja das ist richtig. Da die europäische Raumfahrtbehörde die Landefähre gebaut hatte, gab sie ihr den Namen der altgriechischen Mondgöttin.“
„Die ganze Geschichte erzählen wir euch nachher. Wir landen jetzt gleich.“, meint Frau Bachmann.
Die Kinder können es kaum glauben, aber die Mondscheibe füllt nun tatsächlich den gesamten Bildschirm aus.



Die Raumfähre macht einen Schwenk nach Süden und fliegt in einem weiten Bogen zum Mondkrater Neumayer.
In der Mitte des Kraters erhebt sich ein hoher Fels, ein Überbleibsel des Meteoriteneinschlags, der vor vielen Millionen Jahren den Krater geschaffen hatte.
Darum herum stehen viele Radioantennen auf Rädern und ein kugelförmiges Modul, in dem sich die Mondlabor-Kontrollen befinden.
Da wo das Modul am breitesten ist, liegen Hangartore, ähnlich wie bei den viel größeren Astrodomen auf der Erde.



Nachdem Jorgenson, Shaula und ihre kleinen Gäste mit der SELENE gelandet sind, steigen sie aus und fahren mit einem Lift zur Kommandozentrale, die sich in der obersten Etage befindet.
Mit einem freundlichen „Willkommen!“ werden die Besucher von Professor Jorgensons wissenschaftlicher Assistentin Irina begrüßt.
Erik, Linus und Julia stehen mit offenen Mündern vor der jungen Frau, die zwar wie ein Mensch aussieht, aber sie ist um einiges größer als ein Erdmensch.
Vor allen Dingen ihre Arme und Beine sind erheblich länger.
Da fällt Erik ein, dass sie ein Mondmensch – im Volksmund sagt man auch „Lunarer“ - ist, die hier auf dem Mond nur bei einem Sechstel der Erdschwerkraft leben
Da man Lunarer normalerweise nur auf dem Mond oder anderen Welten mit ähnlich niedriger Schwerkraft antrifft, läuft man ihnen relativ selten über den Weg.
Für Erik und seine Freunde ist es das erste Mal, dass sie einen Mondmenschen von Angesicht zu Angesicht sehen.



„Na kleine Freunde, wieder vom ersten Schock erholt?“, fragt Professor Jorgenson mit einem wissenden Schmunzeln auf den Lippen.
„Irina, kannst Du mit den Kindern bitte einen Rundgang durch das Labor machen, während ich und der Professor die letzten Daten prüfen?“, bittet Frau Bachmann die junge Assistentin.
„Ja, natürlich Doktor Bachmann. Nun womit sollen wir denn beginnen?“.
Hierbei erinnert sich Julia an die Frage, die sie während des Fluges gestellt hatte.
„Erzähl uns bitte, wie die Mondfähre SELENE hier landete und die erste Basis aufbaute.
„Ha ha, das hatte ich sowieso vor.“, antwortet Irina und beginnt vom zweiten Wettlauf zum Mond zu erzählen, der viele Überraschungen bereit hielt.



Wettlauf zum Mond

„Nach den APOLLO-Missionen zwischen 1968 und 1972 war es lange Zeit ruhig um den Mond geworden.
Es gab zwar immer wieder den Wunsch, zurück zu kehren, aber wegen der hohen Kosten wurde nichts daraus.
Erst als China nach 2010 begann, sich Schritt für Schritt auf einen Mondflug vorzubereiten, machte man sich auch in den USA, Russland und Europa wieder ernsthaft daran, ein neues Mondprogramm zu starten, das auch den Aufbau einer Basis vorsah.
Wegen der Banken- und Finanzkrise, die die Welt beinahe 15 Jahre in Atem hielt, wurde beinahe nichts daraus.
Erst als um 2020 bekannt wurde, dass China seinen ersten Flug für 2025 plante, kombinierten USA, Europa und Russland ihre Anstrengungen und lieferten sich mit China einen Wettlauf, wie man ihn zuletzt während des APOLLO-Programms erlebt hatte.
Und im Juni 2025 war es dann soweit.
SELENE und HOUY machten sich gleichzeitig im Erdorbit für den Flug zum Mond bereit und jeder fragte sich, wer der Erste sein würde.



„Da vorne ist die Transferstufe!“, rief der russische Pilot Sergeij Krikaljov, der in der Vergangenheit mehr Zeit im Weltraum verbracht hatte als seine Kollegen zusammen genommen.
Durch die Cockpitfenster der Raumkapsel KOSMONAUT JURI GAGARIN, die von ihrer Mannschaft schlicht und liebevoll JURI genannt wurde, konnte man die Transferstufe der ARIANE 5 mit der europäischen Mondfähre SELENE erkennen.
„Ja, ich sehe sie auch!“, bestätigte die amerikanische Kommandantin Eileen Collins.
„Hoffentlich brauchen die Chinesen noch ein bisschen für ihre Startvorbereitungen.“, meinte der deutsche Astronaut Alexander Gerst, „Immerhin sind sie uns wegen der Erdrotation gut sechs Stunden voraus.“
„Wer als Erster ankommt ist nicht so wichtig. Hauptsache wir kommen heil hin und wieder zurück.“, meinte der französische Kollege Thomas Pesquet.





Rettungsmission

Alexanders Hoffnung wurde leider enttäuscht.
Das chinesische Raumfahrzeug YUE-CHUAN (Mondschiff) startete, sobald es in der richtigen Position für den Flug zum Mond war.
Erst sechs Stunden später konnten JURI und SELENE ihren Flug beginnen und hinter den Chinesen herdackeln.
Drei Tage später näherten sich beide Teams dem Mond und die Besatzung von JURI wartete auf die Meldung, dass die chinesische Mondfähre CHANG'E gelandet sei.



Merkwürdigerweise hörte man zwei Stunden lang nichts und auch die Bodenkontrolle war ratlos.
Plötzlich erhielt JURI von der Erde eine Eilmeldung.
„Hallo Leute! Euer Landeziel auf dem Mond wurde soeben geändert. Die chinesische Mondfähre ist bei der Landung schwer beschädigt worden, so dass sie nicht mehr starten können und auch ihr Sauerstoffvorrat wird langsam knapp. Die Regierung der Volksrepublik China hat uns darum gebeten, ihre Taikonauten zu retten. Eigentlich wollten wir, dass ihr in der Nähe des Kraters Newton landet, da es dort vermutlich Wasservorkommen in der Mondkruste gibt. Stattdessen müsst ihr nun bei Neumayer landen, um möglichst nah bei CHANG'E zu sein. Wir wissen, dass es für euch extrem schwierig wird, an einem anderen Ort zu landen, als ihr es im wochenlang im Simulator geübt habt. Aber ihr seid unsere einzige Hoffnung. Viel Glück!“
„Na super!“, fluchte Eileen, „Nun müssen wir in einem Gebiet landen, dass wir nicht kennen. Hoffentlich bauen wir nicht auch noch Bruch.“
„Du weißt doch, die Hoffnung stirbt zuletzt.“, meinte Sergeij aufmunternd.
„Nachdem wir gelandet sind, müssen wir als erstes das Mondauto fahrbereit machen. Ansonsten schaffen wir es nie.“
Thomas schloss sich dem Einwurf von Alexander sofort an.
„Gut nachgedacht mein deutscher Freund. Das stimmt. Das Mondauto hat nach der Landung oberste Priorität. Wie lange brauchen wir dafür?“
Eileen grübelte kurz darüber nach.
„Wenn wir alle Tests weglassen, eine knappe Viertelstunde.“
„Hoffentlich sehen die Chinesen bis dahin nicht wie Schlümpfe aus.“, scherzte Alexander, um die seit der letzten Meldung von der Bodenkontrolle schlechte Stimmung etwas aufzulockern.
Sergeij und Thomas mussten von einem Ohr zum anderen grinsen und auch Eileen konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
„Blau statt gelb? Nun, daran wollen wir doch nicht schuld sein. Also gut, dann machen wir uns mal an die Arbeit. Wir müssen einen neuen Kurs für den Abstieg zur Oberfläche kalkulieren.“
Nachdem JURI den Mond erreicht hatte, schwenkte man in eine Umlaufbahn ein.
Die Besatzung stieg in die Landefähre um und überließ JURI dem Autopiloten.




Der Landeanflug zu dem Krater Neumayer erwies sich als sehr schwierig, da er von dem ursprünglichen Ziel sehr weit entfernt war.
Um ein Haar ging SELENE kurz vor der Landung – ähnlich wie APOLLO 11 - fast der Treibstoff aus, weswegen Sergeij Eileen aus Spaß fragte, ob sie Neil Armstrong übertreffen wolle.
Aber sie hatten Glück und setzten ein paar Kilometer von CHANG'E entfernt auf.
Während Eileen und Sergeij das kleine Wohnmodul der Fähre aufräumten, um zwei Bewohner mehr unterbringen zu können, als es gedacht war, holten Alexander und Thomas das Mondauto aus dem kleinen Frachtraum und fuhren in die Richtung, in der man die chinesische Fähre geortet hatte.
Als sie nach einer knappen halben Stunde ankamen, war ihnen sehr schnell klar, was den Chinesen passiert ist.
CHANG'E hatte mit einem seiner Landebeine unglücklicherweise auf einem Felsblock aufgesetzt und war abgebrochen, so dass die Mondfähre umkippte und nun auf der Seite lag.
Als Thomas und Alexander feststellten, dass die Besatzung außer ein paar Beulen nichts abbekommen hatte, fiel ihnen ein Stein vom Herzen.



Aus den zahlreichen Publikationen der vergangenen Monate wusste man bereits, dass es sich um zwei bekannte Berühmtheiten handelte.
Es waren Yang Liwei – der erste Raumfahrer aus China - und Liu Yang – die erste weibliche Taikonautin.
„Endlich ist unser Taxi da! Wir sind mit unserem Sauerstoff bereits auf Reserve.“, sprach Yang Liwei in gebrochenem Englisch.
„He Alex. Geben wir mal Vollgas?“
„Kein Problem Thomas. Alle gut anschnallen!“
Liwei und Yang setzen sich auf die hinteren Sitze des Mondautos und tatsächlich schaffte man es in knapp 25 Minuten zurück zur europäischen Mondfähre.



Punkt, Punkt, Komma, Strich

Nachdem Yang und Liu gesund und munter in dem kleinen Wohnmodul der SELENE untergebracht waren, begann man mit dem Aufbau der ersten dauerhaften Basis auf dem Erdmond.
Hierzu hatte man einen komplizierten 3D-Drucker mitgebracht, der das auf dem Mond in großen Mengen vorhandene Regolith in eine steinartige Struktur umformen sollte, um so die Gebäudeteile zu bauen.
Ein wenig skeptisch blickten Alexander und Thomas den Drucker an, bevor sie ihn einschalteten.
„Ob das funktioniert?“, meinte Alexander, „Bei Tests auf der Erde haben wir immerhin 4 Meter pro Stunde geschafft. Allerdings bei Erdschwerkraft und nicht Mikrogravitation wie hier.“
„Keine Sorge. Falls es nicht funktionieren sollte, sind wir alle wieder in SELENE. Das wird kuschelig!“, scherzte Thomas.
„Bloß nicht! Ich hoffe, dass der Drucker in einer Woche mit den Gebäuden fertig ist. Sonst dreh ich am Rad.“
Schließlich schalteten die beiden den Drucker ein und beobachteten ihn bei der Arbeit.
Eine Zeit lang ging auch alles gut, bis es plötzlich zu einem Problem mit der Elektronik kam.
„Wat is'n nu?“, fragte Eileen, die beim Blick aus einem der Cockpitfenster der Mondfähre bemerkt hatte, dass Alexander und Thomas wild mit den Armen fuchtelten.
„Haben wir einen Kaputtnik?“, scherzte Sergeij, der Eileen über die Schulter blickte.
„Wenn ja, dann müssen wir in drei bis vier Tagen den Mond wieder verlassen. Ohne die Basis können wir nicht über längere Zeit hier bleiben.“
Schließlich meldete sich Thomas über das Interkom.
„Anscheinend sind einer oder mehrere Chips von der elektronischen Steuereinheit defekt.“
„Demontiert die Steuereinheit und bringt sie rein. Wir sehen es uns dann hier drin in Ruhe an.“, befahl Eileen.
In der Mondfähre saßen dann alle zusammen und grübelten, wie man die defekten Chips ersetzen sollte.
Man hatte zwar ein kleines Ersatzteil-Paket dabei, aber niemand hatte mit so einem umfangreichen Schaden gerechnet.
Und für einen Notversorgungsflug von der Erde reichte die Zeit einfach nicht, da dieser frühestens in vier Wochen ankäme.



Schließlich hatte Liu die rettende Idee.
„Seht mal auf die Rückseite der Chips. Was steht da?“
Alexander nahm einen der defekten Chips und besah den Aufdruck mit dem Herkunftsland.
„Made in China. Sapperlot!“
„Okay Leute. Thomas, Alexander und Yang ab in die Raumanzüge! Wir brauchen diese Chips.“, befahl Eileen, die nach dem ersten Schock mit der defekten Steuereinheit zu neuem Leben erwacht war.
Mit dem Mondauto fuhren sie so schnell es ging noch einmal zu der gestrandeten Mondfähre CHANG'E.
Nachdem sie bereits nach einer dreiviertel Stunde wieder zurück kamen, fragte Eileen, wie sie das gemacht hätten.
„Ganz einfach, wir haben den Tiger in den Tank gepackt.“, antwortete Alexander und knurrte wie ein Tiger.
Eileen verdrehte die Augen und meinte: „Schön zu wissen, dass es euch gut geht.“
Mit den Ersatzteilen brachten sie den 3D-Drucker bald wieder zum Laufen und die Gebäude der ersten ständigen Mondbasis wurden innerhalb weniger Tage fertig gestellt.
Während des Aufbaus und dem Bezug der Basis arbeiteten die Raumfahrer aus den verschiedenen Ländern der Erde so eng zusammen, dass sie ihren Wettstreit – in den sie vor einer Woche noch verstrickt waren – schnell vergessen hatten.
Und auch auf der Erde hatte man sich zusammengerauft.
Die Organisationen NASA, ROSMOSMOS, ESA und CNSA hatten beschlossen unter dem Dach einer gemeinsamen Weltraumorganisation – für die es noch keinen Namen gab – zusammen zu arbeiten.
Dafür waren die Raumfahrer auf dem Mond umso fantasiereicher und voller Tatendrang.
Mit ein paar Farbstiften und einem Blatt Papier bemühten sich Alexander, Thomas und Liu ein Logo für die neue Organisation zu zeichnen.
„Gut, dass NASA, ROSKOSMOS und CNSA einen Winkel in ihrem Logo haben.“, meinte Thomas.
Diese Tatsache hatte ihnen beim Entwurf des neuen Logos eine Menge Streit erspart.
„Wir könnten auch die Lorbeerzweige von unserem Abzeichen dazu nehmen.“, meinte Liu, „Das würde auch zum Zeichen der UNO passen.“
Nachdem der Winkel und die Lorbeeren fertig waren, kam Alexander ein wenig ins Grübeln.
„Sollen wir das Raumschiff aus dem NASA-Logo übernehmen?“
„Ja, warum nicht. Schade, dass wir das in unserem Abzeichen nicht hatten.“, stimmte Liu zu.
Zu guter Letzt malten sie noch das Kürzel „uesa“ darauf, obwohl erst zwei Monate später der Name der neuen gemeinsamen Organisation „United Earth Space Agency“ beschlossen wurde.

Gerade als die neue Organisation ihre Arbeit aufnahm, kam die Schwester-Mondfähre der SELENE, die den Namen HERMES trug.
Alle in der Mondbasis blickten hoffnungsvoll zu der neuen Mondfähre und der wohlverdienten Ablösung.
Just in dem Augenblick, da die Fähre nur noch zehn Meter vom Boden entfernt war, fiel plötzlich der Motor aus und sie plumpste wie ein Stein herunter, wobei die Landebeine brachen.
„Nicht schon wieder!“, entfuhr es Alexander.
Eileen blickte die Fähre – ebenso wie ihre Kollegen – noch ein paar Sekunden ungläubig an und nahm dann mit der Missionsleitung Kontakt auf.
„Houston, we need a neue Mondfähre!“





Der Mondshuttle SELENE im Überblick





Nachwort des Autors

Zuallererst möchte ich mich bei der chinesischen Raumfahrtagentur CNSA (Chinese National Space Administration) dafür entschuldigen, dass in meiner Geschichte ausgerechnet ihre Mondfähre bei der Landung Schiffbruch erleidet.
Dies ist keine böswillige Absicht und an der Stelle, wo sich zeigt, dass die für den 3D-Drucker wichtigen Bauteile chinesischer Herkunft sind, hat die CNSA ihren großen Augenblick.
Die Tatsache, dass mittlerweile die meisten Elektronikprodukte aus China stammen, sorgt hierbei auch noch für ein gerüttelt Maß an Ironie.
Zu guter Letzt habe ich zum Schluss der Geschichte noch die missglückte Landung der zweiten europäischen Fähre hinzugefügt, womit der CNSA und ihren tapferen Taikonauten Genüge getan sein sollte.

Wie bereits in der Entstehungsgeschichte des kleinen Sternenreisenden erwähnt, hatte ich die sieben Originalgeschichten zwischen Dezember 1994 und Juli 1995 zu Papier gebracht.
Anschließend wurden diese in einem Ordner abgeheftet und warteten fünfzehn Jahre lang in einem Regal darauf wieder hervorgeholt zu werden.
Die Bankenkrise, die 2006 mit dem Platzen der Immobilienblase und den dazugehörenden Krediten ihren Lauf nahm und im September 2008 um ein Haar zum Kollaps des Finanzsystems führte, hatte uns das Jahr 2009 ziemlich verhagelt.
Die Aussichten waren damals sehr trübe (Um es vornehm auszudrücken. Und daran hat sich – zumindest für diejenigen, die über Insider-Informationen verfügen – nicht das Geringste geändert.), so dass ich an Weihnachten 2009 darüber nachdachte, ob man nicht irgend etwas dagegen unternehmen könne.
Ein afrikanisches Sprichwort lautet: Wenn viele kleine Leute viele kleine Dinge tun, verändert das die Welt.
Ähnlich wie einige berühmte Autoren der Vergangenheit habe ich mich nach ein paar Minuten des Überlegens entschieden, der Tristesse mit einem optimistischen Gegenentwurf einer künftigen Welt entgegenzutreten.
So kam es, dass ich mich nach vielen Jahren an den kleinen Sternenreisenden zurückerinnerte und die Idee für die Geschichte um das Mondlabor entstand.
Sogleich machte ich auf einem Blatt Papier Skizzen und Notizen (Selbst im digitalen Zeitalter gibt es nichts beständigeres als Papier. Und das nun schon seit 5000 Jahren!).
Ursprünglich sollte es lediglich um die Geschichte des Labors im Verlauf des 21. Jahrhunderts gehen, das mit der Entdeckung von außerirdischen Signalen seinen Höhepunkt erlebt.
Allerdings haben die Entwicklungen der letzten Jahre – wie der sich abzeichnende neue Wettlauf zum Mond zwischen USA, China und Russland – mich dazu bewogen, meine ursprüngliche Storyline zu überdenken, womit die nun vorliegende Geschichte entstand.

Während dem Schreiben dieser Geschichte (Oktober 2012 – Juli 2013) haben sich die politischen Zustände leider verschlechtert, aber vielleicht müssen sich die Dinge immer erst verschlechtern, bevor sie besser werden können.
Die Chancen, die sich nach dem Ende des „Kalten Krieges“ (1945 -1990) ergeben hatten, wurden von den Politikern leider nicht genutzt und nun stolpern wir scheinbar in einen neuen kalten Krieg.
Die russische Föderation lässt ihre Nuklearbomber wieder Patrouillen fliegen (was über zehn Jahre lang aus Kostengründen und Mangel an Feindbildern nicht der Fall war), die chinesische Volksrepublik rüstet massiv auf und bei den USA hat man den Eindruck, dass sie mittlerweile nicht mehr in der Lage sind Freund von Feind zu unterscheiden (PRISM).
Mein Lieblingsastrophysiker Carl Sagan (manche nannten ihn zu Lebzeiten den „ewigen Optimisten“) würde vermutlich meinen, dass dies nicht aller Tage Abend sei und ich muss ihm – auch wenn es oft schwer fällt daran zu glauben – Recht geben.
Wie bereits erwähnt, müssen die Dinge auch einmal wieder besser werden.
„Spätestens nachdem die Talsohle des Schlechten durchschritten ist.“ wäre vermutlich der Kommentar eines Sarkasten hierzu.

Tatsächlich arbeiten alle in der Geschichte erwähnten Raumfahrtagenturen an bemannten Programmen für Flüge zum Mond.
Aufgrund der bisherigen und noch zu erwartenden Folgen der Bankenkrise, würde es mich nicht wundern, wenn sich NASA, ROSKOSMOS und ESA – wie bei der internationalen Raumstation ISS – zusammentun müssen, um auf einen grünen Zweig zu kommen.
Und die Chinesen haben in den letzten Jahren mit bemannten Flügen und einer kleinen Raumstation (Tiangong 1) einen Meilenstein nach dem anderen gesetzt.
Die Idee einer globalen Zusammenarbeit bei der Erforschung des Mondes – so wie ich sie schildere – ist im Übrigen nicht neu.
Sie stammt aus den 1950er Jahren, als man der Ansicht war, dass ein Mondprogramm unter der Schirmherrschaft der UNO stattfinden solle (Welch löblicher Gedanke!).
Wie eine solche internationale Mondmission ausgesehen hätte, kann man in der Eingangssequenz des Filmes „Die erste Fahrt zum Mond“ (First Men in the Moon) bewundern.

Da sowohl die Raumfahrtprogramme als auch die Rüstungsausgaben immer teurer werden, denke ich, dass die Menschen eines Tages vernünftig genug sein werden (oder besser gesagt „müssen“), das Letztere aufzugeben und bei der Raumfahrt die Köpfe zusammen zu stecken.

Der 3D-Drucker, der für den Aufbau der Mondbasis verwendet wird, ist keine Erfindung, sondern Realität.
Der Idee für einen derartigen Drucker besteht darin, die Bauteile für eine Mondbasis nicht für teures Geld zum Mond transportieren zu müssen, sondern aus dem dort vorhandenen Material zu fertigen.
Der Prototyp „D-Shape“ der britischen Firma Monolite kann pulverisierte Steine und Sand (entsprechend dem auf dem Mond vorkommenden Regolith) in einen steinartigen Festkörper umwandeln.
Die Arbeitsgeschwindigkeit von „D-Shape“ liegt bei zwei Meter pro Stunde.
Es ist ein Nachfolgemodell geplant, das die doppelte Geschwindigkeit besitzen soll und in meiner Geschichte bereits verwendet wird.
Eine Realisierung bis 2025 sollte in den nächsten 11 Jahren doch eigentlich möglich sein.
Toi toi toi!



Das Logo der United Earth Space Agency (UESA) ist eine Kombination aus verschiedenen Elementen der Logos der gegenwärtig bedeutendsten Raumfahrtagenturen.
Den Hintergrund bildet ein dunkelblauer Kreis mit Sternen (NASA).
Der Winkel bzw. Flügel darüber kommt sowohl bei NASA, ROSKOSMOS als auch CNSA vor, hat hier aber eine andere Krümmung, damit er auch ROSKOSMOS und CNSA gerecht wird.
Ein Raumschiff, das eine Spur hinter sich herzieht und den Winkel umkreist, findet man in den Logos von NASA und ROSKOSMOS.
Das Kürzel „uesa“ erscheint in weißen Kleinbuchstaben wie bei dem Logo der ESA und enthält – lustigerweise – die Buchstaben „esa“.
Umgeben wird das Ensemble von einem Lorbeerkranz, der von dem des CNSA-Logo abgeleitet ist, aber auch ein wenig an den des UNO-Zeichens erinnert, da es sich bei der UESA um eine Raumfahrtagentur der gesamten Welt handeln soll.